EU setzt auf Mini-Atomkraftwerke gegen Klimawandel
Die eisigen Temperaturen machten den Abgeordneten die Entscheidung noch einfacher. Mitten im schwedischen Winter musste eines der in die Jahre gekommenen Atomkraftwerke des Landes für Servicearbeiten vom Netz genommen werden.
Erneuerbare zu wenig zuverlässig
Und weil Wind- und Solarkraftwerke nicht ausreichend lieferten, waren Schwedens Strompreise auf Rekordniveau gestiegen, als im Parlament die entscheidende Abstimmung anstand: zum Ausbau der Atomkraft.
Neue Akw-Standorte
Jetzt, mit einer klaren Mehrheit im Rücken, ist man in Schwedens Mitte-rechts-Regierung entschlossen, keine Zeit mehr zu verlieren. Nicht nur werden gleich zwei neue Atomkraftwerke in Angriff genommen, man sucht auch neue Standorte für die Reaktoren und hat die offizielle Obergrenze von maximal zehn Reaktoren auch gleich aufgehoben. „Die Treibhausgas-freie Atomkraft wird eine zentrale Rolle in Schwedens Energiemix spielen“, so die offizielle Stellungnahme des Parlaments in Stockholm. „Die Hauptgründe dafür sind der wachsende Bedarf an Strom, zusammen mit der Notwendigkeit aus der fossilen Energie auszusteigen, vor allem wegen der Klimawende.“
Auf Atomkurs
Schweden, dass sich noch in den 1980ern für den Atomausstieg entschieden hatte, schwenkt also klar auf Atomkurs um. Und damit ist man in der EU keineswegs alleine. Angetrieben von der Atomenergie-Großmacht Frankreich, die ihre baufällige Akw-Brigade gänzlich neu aufstellen will, hat sich in der EU eine „Nukleare Allianz“ formiert.
Mehr als ein Dutzend EU-Staaten waren bei einem ersten Treffen in Paris im Vorjahr dabei. Gemeinsam richtete man eine Aufforderung an die EU-Kommission, die Atomkraft in der Energie-Strategie der Union stärker zu berücksichtigen und zu fördern.
Kategorie klimaneutral
Der Ruf ist in Brüssel nicht ungehört geblieben. Anders als in Österreich, wo man seit Jahrzehnten unbeirrbar auf einem strikten Anti-Atomenergie-Kurs steuert, und in Deutschland, das im April des Vorjahres seinen Atomausstieg endgültig abgeschlossen hat, ist die Atomenergie mehr denn je fixer Bestandteil der europäischen Energiepolitik.
Uran aus Russland
Sie gilt ebenso wie die Erneuerbaren, etwa Wasser- oder Windkraft, als weitgehend klimaneutrale Energie. Die Einwände von Umweltschützern, dass Uranabbau gefährlich, energieaufwendig und umweltschädlich sei und Europa von Kernbrennstoff-Lieferungen aus Russland abhängig mache, wirkten nicht.
Mini-Akw im Test
Doch die Kommission will sich nicht auf die seit Jahrzehnten eingesetzten Reaktor-Typen beschränken. Ein neuer Plan, der Anfang Februar in Brüssel präsentiert werden soll, rückt die Rolle kleiner Atomreaktoren in den Mittelpunkt.
Pilotprojekte in den USA
Diese sogenannten „SMR“ („Small modular reactors“) sind eine Entwicklung von US-Firmen und laufen dort bereits als Pilotprojekte. Anders als die riesigen konventionellen Atomreaktoren, die einzeln geplant und über Jahre und Jahrzehnte vor Ort errichtet werden, sind die SMR quasi Atomkraftwerke von der Stange.
Fertig aus der Fabrik
Sie werden in fertigen Bauteilen in einer Fabrik produziert und müssen am Standort nur noch zusammengesetzt werden. Das soll nicht nur einen viel schnelleren und kostengünstigeren Bau dieser Akw ermöglichen, sondern auch Standorte erschließen. die bisher für Atomkraftwerke nicht geeignet schienen. Wirklich im Einsatz zur Energieversorgung sind die SMR vorerst allerdings nur in Russland. In den USA dagegen ist der führende Hersteller derzeit in schweren Geldnöten.
Produktion in der EU
Die UN-Atombehörde IAEO setzt trotzdem konsequent auf den neuen Reaktortyp und unterstützt weltweit Dutzende Entwicklungsprojekte. Die EU-Kommission will jedenfalls eine eigene europäische Produktion von SMR vorantreiben und sieht sie als Schlüssel, um die ehrgeizigen Klimaziele zu erreichen. Bis 2030 sollen sie überall in der EU bereits im Einsatz sein.
Testlauf in Rumänien
Früher dran ist Rumänien. Dort baut man gemeinsam mit einer US-Firma an sechs Reaktoren, die unweit von Bukarest aufgestellt werden sollen – mit großzügiger Unterstützung aus Washington. Die rumänische Regierung ist jedenfalls schon voll auf dem neuen Atomkurs und spricht von der „neuesten, sichersten und saubersten Atomtechnologie“.
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