Gründe dafür könnte es viele geben, die meisten gehören ins Reich der Spekulation. Einer – ein durchaus nachvollziehbarer – wäre Abramowitschs Familie. Seine Großmutter, eine Jüdin, stammt aus Kiew; sie floh 1941 vor den Nazis, zu Fuß mit ihrer zweijährigen Tochter – Abramowitschs Mutter.
Ein anderer, weniger schmeichelhafter, ist Abramowitschs Vermögen. Beobachter unterstellen ihm, mit seinem Engagement schlicht die Aufhebung der Sanktionen gegen ihn erreichen zu wollen. In der EU und in seiner Wahlheimat Großbritannien kann er auf den Großteil seines Vermögens nicht mehr zugreifen; auch seine Jets und Jachten dürfen nicht mehr verkehren. Sein prestigeträchtiges Engagement beim FC Chelsea endete im demütigenden Zwangsverkauf.
Wirft man einen Blick in die Biografie des 55-Jährigen, wirkt es plausibel, dass er sich so selbst retten will. Denn dass er vom armen Waisenkind – seine Eltern starben, als er drei Jahre alt war – zu einem der reichsten Männer Russlands aufstieg, hatte einen Grund: Er suchte immer die Nähe zur Macht, doch war dabei nie laut.
Der Erste, dem er sich andiente, war Boris Jelzin. Zu ihm gelangte Abramowitsch, der bis 1994 Kinderspielzeug von seinem Wohnzimmer aus verkaufte und später – wie alle aufsteigenden Oligarchen damals – die ehemalige Sowjetindustrie zu Spottpreisen aufkaufte, über den Oligarchen Boris Berezowskij. Gemeinsam mit ihm hievte der Öl- und Aluminiummagnat den von Krankheit und Alkohol gezeichneten Jelzin 1996 nochmals in den Kreml – mit einer massiven TV-Kampagne. Im Gegenzug erhielten die beiden den Ölgiganten Sibneft, freilich zu einem ungewöhnlich niedrigen Preis.
Dass Abramowitsch unter Putin nicht das Schicksal anderer Oligarchen aus der Ära Jelzin ereilte, ist seiner Gerissenheit und seiner Demut geschuldet. Während Berezowskij Putin für manipulierbar hielt, ins Londoner Exil floh und Jahre später tot aufgefunden wurde, Michail Chodorkowskij für seine politischen Ambitionen zehn Jahre im Gefängnis saß, war Abramowitsch stets Putins treuer Diener. Er sei derjenige gewesen, der Jelzin einredete, den Geheimdienstler als Präsidenten zu installieren, und habe später Dmitrij Medwedew als Interimspräsidenten ausgewählt, heißt es. Putin gegenüber war er sogar so handzahm, dass er sich die Rolle als Gouverneur von Tschukota aufbürden ließ. Bis 2008 investierte er mehr als eine Milliarde Dollar in der verarmten Region im Osten Russlands.
Wie groß sein Einfluss auf den Kremlchef heute ist, ist aber fraglich. Abramowitsch verlegte sich zuletzt zunehmend auf das Mäzenatentum und den Sport, lebt seit Langem nicht mehr in Moskau. Unterstellt wird ihm darum eine andere Rolle: Er sei gewissermaßen "Putins Kassier“ im Westen, mutmaßt Wladimir Milow, Ex-Vize-Energieminister Russlands. Abramowitsch sei jener Mann, mit dem sich Putin heimlich den Reichtum teile, der seine wirtschaftlichen Interessen im Ausland verfolge, sagte er jetzt in einer BBC-Dokumentation.
Das weisen Abramowitschs Presseleute natürlich strikt zurück. Für seinen Einsatz um die Ukraine, die mit der Aufhebung der Sanktionen belohnt werden könnte, wäre dies freilich eine sinnvolle Erklärung.
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