Mögliche Gas-Ausfälle: Wie gut ist Österreich gerüstet?
Die Frühwarnstufe im Notfallplan Gas ist aktiviert. Mit dieser Meldung der deutschen Bundesregierung machte sich gestern Nervosität breit, auch in Österreich. Denn: Was bedeutet das jetzt? Wie gut ist Österreich auf mögliche Gasausfälle vorbereitet? Und wo gehen die Lichter zuerst aus, wenn das russische Gas wirklich ausbleibt?
Am späteren Nachmittag hat die österreichische Bundesregierung gemeinsam mit der Regulierungsbehörde E-Control es dann der deutschen gleichgetan und ihrerseits die Frühwarnstufe des rot-weiß-roten Notfallplans ausgerufen. Der ist aber in seiner Ausgestaltung ähnlich unpräzise wie der deutsche – konkrete Szenarien im Fall eines Gasstopps enthält er nämlich nicht. Aber die Info: Aktuell sind die Gas-Speicher in Österreich zu rund 13 Prozent gefüllt.
Drei Stufen
Der heimische Notfallplan beinhaltet drei Stufen: Eine Frühwarnstufe, in der sehr genau die Situation am Gasmarkt überwacht wird. Die zweite, Alarmstufe, tritt in Kraft, wenn sich die Versorgungslage mit Gas verschlechtert. Hier kommt es noch nicht zu Eingriffen des Staates, aber zu Aufforderungen an die Industrie, Alternativen zu suchen. Stufe drei ist die Notfallstufe. Gas wird in dieser nicht mehr geliefert, Maßnahmen zur Lenkung von Energie sind möglich.
Grund dafür ist die Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, für Gaslieferungen in den Westen nur noch Rubel und nicht wie bisher Euro oder Dollar als Zahlungsmittel zu akzeptieren. Im schlimmsten Fall heißt das: keine Gaslieferungen mehr.
Am Dienstag sicherte der Kreml-Chef allerdings dem deutschen Kanzler Olaf Scholz zu, dass europäische Unternehmen ihre Rechnungen für russisches Gas weiterhin in Euro begleichen können.
Was würde aber passieren, wenn sich die Lage ändern würde und es zu einem Stopp der Gaslieferungen käme? Dann würde ein Energielenkungsfall eintreten. Wie genau die Szenarien aussehen, entscheidet in Österreich die Grüne Ministerin Leonore Gewessler, zuständig für unter anderem Energie, Klima und Umwelt, per Verordnung. „Die Verordnung ist fertig und liegt in der Schublade“, sagt eine Sprecherin auf Nachfrage des KURIER. Diese Verordnung würde unter anderem der Regulierungsbehörde E-Control große Befugnisse einräumen, Maßnahmen zu setzen.
Die Verordnung regelt aber nicht, welche Unternehmen in welcher Reihenfolge auf Gas verzichten müssten. „Da bräuchte man unzählige Verordnungen.“ Denn der Verbrauch der Betriebe sei nicht immer gleich. Die Entscheidung im Ernstfall liege bei der E-Control in Abstimmung mit dem Ministerium.
Man beobachte ohnehin seit Beginn der Ukraine-Krise die Situation sehr genau, sagt Carola Millgramm, Leiterin der Abteilung Gas bei der Regulierungsbehörde E-Control, dem KURIER.
Die gesetzliche Basis für die angesprochene Verordnung ist das Energielenkungsgesetz. In diesem ist unter anderem definiert, wer als Großabnehmer von Gas gilt – nämlich Industriebetriebe ab einem Verbrauch von mehr als 50 Megawattstunden. Sie sind die ersten, bei denen Gaslieferungen rationiert würden. Hier sind auch Eskalationsstufen festgeschrieben, die den Stufen des Notfallplans ähneln. Geschützt von einer reduzierten oder eingestellten Versorgung mit Gas sind private Haushalte. Bei der E-Control analysiere man die Gasflüsse und Speicherstände im engen Austausch mit Ministerium und weiteren Stakeholdern täglich, wie Millgramm sagt. „Österreich ist wirklich gut vorbereitet.“
Unmut bei Lebensmittelindustrie
Die österreichische Lebensmittelindustrie sieht sich jedenfalls nicht in irgendwelche Notfallpläne eingebunden. Und das, obwohl die Branche als versorgungs- und systemrelevant eingestuft wurde und viele Prozesse energieintensiv und von Gas abhängig sind – von der Verarbeitung der Rohstoffe bis zum Tiefkühlen fertiger Produkte. „Die Branche benötigt rund 3,5 Terawattstunden pro Jahr. Gas als Energieträger für die Produktion kann nicht rasch ersetzt werden, vielmehr ist eine konstante Belieferung für Koch-, Back-, Kühl- oder Abfüllprozesse in der Lebensmittelproduktion unerlässlich“, appellierte die Lebensmittelindustrie kürzlich in einem Schreiben an das Klimaministerium.
„Falls die Industrie bzw. ihre Vorlieferanten ihre Produktionen drosseln müssen, könnte das in weiterer Folge auch die Herstellung von Futter- und Lebensmitteln treffen. Das muss im Interesse der gesicherten Versorgung der Bevölkerung mit ausreichend Lebensmitteln und Getränken in jedem Fall verhindert werden.“
"Brot vor Stahl"
Eine Antwort sei bisher ausgeblieben. „Das Klimaministerium behauptet zwar, einen Notfallplan in der Schublade zu haben, gibt diesen aber nicht weiter“, ärgert sich Josef Domschitz, Geschäftsführer des Fachverbandes. Er bezweifelt mittlerweile, dass es überhaupt so einen Krisenplan gibt. „Man hat uns mündlich versichert, dass im Fall einer Gaskrise das ’Brot vor Stahl’ kommen soll, aber wie genau die Szenarien tatsächlich aussehen und was wann passiert, wird nicht verraten.“
Die Lebensmittelindustrie sei in die Erarbeitung von Krisenszenarien eingebunden, so die Sprecherin von Gewessler – die Betriebe könnten aber auch direkt Rücksprache mit der E-Control halten.
Produktionsstopps vermeiden
Andreas Mörk, Geschäftsführer der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Österreich, erklärte gegenüber dem KURIER, dass Produktionsstopps oder Abschaltungen von Betrieben "unbedingt zu vermeiden" seine, das müsse eine gemeinsame Anstrengung sein. "Dies ist zuletzt auch im Jänner 2009 erfolgreich gelungen." Wichtig seien ebenso "die Sicherung der Speichervorhaltung für den kommenden Winter und die finanzielle Entlastung energieintensiver Betriebe". Hier nimmt er jedenfalls das Klima- und Umweltministerium in die Pflicht: "Hierzu bedarf es weiterer intensiver Abstimmung und Koordinierung ausgehend vom Klima- und Umweltministerium." Pragmatisch formuliert es die Industriellenvereinigung IV: "Die IV ist im Energielenkungsbeirat vertreten und damit in die Erarbeitung der Pläne für den Krisenfall eingebunden."
Kritik von SPÖ und Neos
Auch die politischen Reaktionen der Opposition auf die Ankündigung in Deutschland ließen nicht lange auf sich warten. Kritik wegen angeblich mangelnder Vorbereitung kam von SPÖ und Neos.
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