Russland-Sanktionen: "Wir kitzeln bisher nur Putins Füße"

Russian President Putin chairs a meeting in Moscow
Experten, aber auch Politiker sind äußerst skeptisch über die bisherigen Maßnahmen der EU, der USA und Großbritanniens nach der Aggression Moskaus gegenüber der Ukraine.

Wenn der russische Präsident Wladimir Putin in der Ukraine-Krise nicht auf Diplomaten hören will, dann müssen seine Freunde fühlen. Das war die Devise hinter ersten Sanktionen gegen Russland und manche seiner Oligarchen, die EU, USA und Großbritannien nach Putins Anerkennung der Unabhängigkeit zweier Separatistenregionen in der Ukraine und der Mobilisierung von „Friedenstruppen“ verhängten.

Die EU versprach, ihr Strafen-Paket gegen russische Abgeordnete und 27 Personen sowie Organisationen, das etwa das Einfrieren von Vermögenswerten vorsieht, würde „sehr weh tun“. Und Premier Boris Johnson nannte britische Schritte gegen fünf russische Banken und drei reiche Russen, Boris Rotenberg, Igor Rotenberg und Gennadi Timtschenko, „drakonisch“. So manche Experten beschreiben den Startschuss für Sanktionen aber eher als Rohrkrepierer.

Russland-Sanktionen: "Wir kitzeln bisher nur Putins Füße"

Selbst Parteifreunde kritisieren Johnsons zu weiche Sanktionen gegen Oligarchen

„Wenn das so anfängt, dann braucht es lange, bis es die trifft, wo es wirklich einen Effekt hat“, sagt Elisabeth Schimpfössl, die an der London School of Economics den Einfluss reicher Russen erforscht und ein Buch zu dem Thema verfasst hat, dem KURIER. „Die Schritte aller drei Regionen werden der Androhung massiver wirtschaftlicher Konsequenzen nicht wirklich gerecht“, sagte auch Tom Keatinge von der Denkfabrik RUSI der BBC. Experten sehen die koordinierte Ausweitung von Maßnahmen auf mehr Oligarchen und Banken sowie den Ausschluss Russlands aus dem internationalen Bezahlungssystem Swift als mögliche Schritte zu mehr finanziellem Schmerz.

Russland-Sanktionen: "Wir kitzeln bisher nur Putins Füße"

Ziel der britischen Sanktionen: Der Milliardär Boris Rotenberg

In London haben Oligarchen laut Telegraph beim Außenamt lobbyiert und „bestimmt auch hinter verschlossenen Türen alle Hebel in Bewegung gesetzt“, so Schimpfössl. „Die individuellen Sanktionen waren ein Witz und ein klares Signal von Johnson an Oligarchen, dass alle gut und ruhig schlafen können. Keiner der drei hat hier viel zu verlieren, außer im Falle der Rotenbergs Wohnungen. Timtschenko ist sowieso in der Schweiz“. Die britische Regierung sei mit einem Erbsen-Blasrohr in eine Schießerei gezogen, meinte Keatinge: „Wir kitzeln bisher nur Putins Füße.“

„Erbärmlich“

Ein Labour-Mandatar verglich die „erbärmlichen“ britischen Sanktionen mit einem „Staubwedel“, mit dem man Putin bedrohe. Selbst konservative Parteifreunde Johnsons fordern härtere Bandagen, etwa gegen anonym gekaufte Immobilien und Geldwäsche. „Wir müssen sie hart treffen, und zwar jetzt“, meinte Iain Duncan Smith, „sie müssen jammern, nicht still lächeln und sagen, wir werden nicht weiter gehen.“

Johnson-Lapsus

Johnson schien über seine eigenen Sanktionen verwirrt. Im Parlament befragt, warum reiche Russen wie Roman Abramowitsch, dem der Londoner Fußballklub Chelsea gehört, nicht im Visier seien, meinte er, dieser stünde auf der Liste. Ein Sprecher korrigierte später, Johnson habe sich „versprochen“.

Schimpfössl abschließend: „Wenn Vermögenswerte eingefroren werden, ist das ganz hart für Oligarchen“, aber das müsse weltweit eine breite Gruppe treffen. „Dann würden sie sicher kräftig Druck auf Putin ausüben.“

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