Russland setzt Angriffe fort, will aber wieder verhandeln
Das russische Militär hat seine Angriffe auf Mariupol und Wolnowacha am Samstag Nachmittag fortgesetzt. Die Kampfhandlungen seien nach einer mehrstündigen Feuerpause wieder aufgenommen worden, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit.
Die Feuerpause hätte dafür genutzt werden sollen, die bei bilateralen Gesprächen vereinbarten humanitäre Korridore für die umzingelten Städte zu errichten. Laut der Ukraine hielt sich Russland aber nicht an die Waffenruhe. Moskau wiederum gab "ukrainischen Nationalisten" die Schuld für das Nicht-Zustandekommen der Evakuierungen.
Die Rettungsaktionen konnten jedenfalls nicht wie geplant starten, wie das Rote Kreuz, das diese organisieren sollte, bestätigte. Lediglich einige hundert Menschen in Wolnowacha hätten es geschafft, die Stadt zu verlassen.
Explosionen, Straßenkämpfe, Gespräche
Die russischen Angriffe am Samstag konzentrierten sich nach ukrainischen Angaben darauf, die Hauptstadt Kiew und die zweitgrößte Stadt Charkiw einzukesseln. Aus Kiews Zentrum waren Explosionen zu hören.
Das ukrainische Medienunternehmen Suspilne berichtete, in der Stadt Sumy bestehe die Gefahr von Straßenkämpfen. Das russische Vorgehen ziele auch darauf ab, im Süden eine Landbrücke zur annektierten Halbinsel Krim zu schaffen, teilte der ukrainische staatliche Informationsdienst mit.
Dramatische Bilder kamen auch aus Irpin nahe Kiew, wo eine wichtige Brücke zerstört wurde:
Obwohl es seine Angriffe mit aller Härte fortsetzte, will Russland weiter mit Kiew verhandeln. Für kommenden Montag seien eine dritte Gesprächsrunde mit Russland geplant, teilte der Leiter der ukrainischen Delegation, David Arachamija, Samstagabend auf Facebook mit. Moskau bestätigte das kurz darauf.
"Kriegserklärung"
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte zuvor erneut scharfe Kritik an den westlichen Sanktionen gegen sein Land geübt. Die Strafmaßnahmen glichen einer Kriegserklärung, sagte er in einer Rede - und warnte mit scharfen Worten vor der Errichtung einer Flugverbotszone über der Ukraine.
Nach Angaben des Kremlchefs ist die „Zerstörung der militärischen Infrastruktur“ in der Ukraine „praktisch abgeschlossen“. Er nannte unter anderem Waffen- und Munitionslager.
Waffenlieferungen des Westens
Der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij wandte sich am Samstag telefonisch an den US-Senat. Bei einer Konferenzschaltung bat er nach amerikanischen Angaben "verzweifelt" um Flugzeuge. Wie der Mehrheitsführer der Demokraten im Senat, Chuck Schumer, erklärte, wolle Selenskyj von osteuropäischen Ländern Maschinen russischer Bauart. Man werde alles tun, um deren Verlegung zu erleichtern, erklärte Schumer.
Am Abend berichtete der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba von Erfolgen, die ukrainische Truppen mit bereits von Verbündeten gelieferten Waffen erzielt hätten. „Gerade heute haben wir drei russische Kampfflugzeuge, die unsere Städte bombardiert haben, mit Hilfe von Stingern abgeschossen“, sagte er bei einem Treffen mit US-Außenminister Antony Blinken im Grenzgebiet zu Polen.
Die USA, aber auch Deutschland haben der Ukraine Panzerabwehrwaffen und Boden-Luft-Raketen vom Typ „Stinger“ geliefert. Kuleba betonte, die Ukraine benötige weitere militärische Unterstützung etwa in Form von Kampfjets oder von Luftabwehrsystemen.
Angriffe auf Zivilisten - auch durch Ukraine?
Die ukrainische Armee wirft Russland weiter vor, gezielt Wohngebiete etwa in Tschernihiw und Charkiw anzugreifen. Augenscheinlich wahllose Angriffe beobachteten AFP-Journalisten am Freitag auch in Irpin.
Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag hat wegen des Verdachts auf Kriegsverbrechen in der Ukraine Ermittlungen aufgenommen. Russland bestreitet Angriffe auf zivile Ziele.
Auch die ukrainische Armee soll binnen 24 Stunden dreimal zwei Siedlungen in der selbst ernannten Volksrepublik Luhansk (LNR) beschossen haben. Das berichtete die russische Agentur Tass mit Bezug auf Vertreter der LNR in der Nacht zu Samstag. Details zu möglichen Opfern oder Schäden gebe es noch nicht. Die Angaben konnten nicht unabhängig überprüft werden.
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