US-Botschafterin Kennedy: "Niemand wollte es glauben"
Sie gilt als die Frau, die den Kennedy-Clan durch viele seiner familiären Tragödien geholfen hat: Victoria Kennedy, Witwe des langjährigen US-Senators Ted Kennedy, hat vor wenigen Wochen ihr Amt als US-Botschafterin in Österreich angetreten. Die heute 67-Jährige, die einst das Leben des wegen seiner Eskapaden berüchtigten Ted wieder in geordnete Bahnen lenkte, kommt mitten in einer dramatischen Krise nach Europa. Einst hat sie in Wien ihre Liebe zur Oper entdeckt, heute will sie durch Österreich reisen und so viel wie möglich mit jungen Leuten zusammentreffen, denen in diesem Moment wohl die Bedeutung westlicher Werte wie Freiheitsliebe klar werde.
KURIER: Frau Botschafter, was beeindruckt sie in dieser tiefen Krise am meisten?
Victoria Kennedy: Der unglaubliche Heldenmut der Ukrainer, es ist für uns alle ein Moment der Demut, das zu sehen, davon Zeugen zu werden, von diesem Moment in der Geschichte.
Hätte man noch etwas tun können, um diesen Krieg zu verhindern? Die USA haben in einem Ausmaß wie nie zuvor Geheimdienst-Informationen weitergegeben, aber niemand wollte es glauben. Zuletzt aber hat es alle Partner dazu gebracht, zusammenzukommen und Einheit und Solidarität auszuüben, mit nie dagewesenen Sanktionen. Präsident Biden und alle unsere europäischen Freunde und Verbündeten schlossen sich zusammen und versuchten diese Invasion mit den Mitteln der Diplomatie zu stoppen. Sie haben es gemeinsam versucht, in verschiedenen diplomatischen Formaten, aber auch einzeln, in Vier-Augen-Gesprächen, Pendeldiplomatie, aber Putin ließ sich nicht abschrecken.
Wie beurteilen Sie die Reaktionen weltweit?
Wir haben eine sofortige Reaktion erlebt, Wellen von Sanktionen, von humanitärer Hilfe. Nicht nur einzelne Staaten, sondern die ganze freiheitsliebende Welt hat reagiert, ist gegen diese Aggression aufgestanden.
Sogar innerhalb Russlands mit seiner Kultur der verordneten Meinung, der Desinformation, sind Menschen aufgestanden und haben Nein gesagt, und haben so ihr Leben riskiert.
Sind die aktuellen Sanktionen die richtigen?
Das sind gezielte Sanktionen, die sich direkt gegen Wladimir Putin und seine Vertrauten, seine Günstlinge richten. Diese Sanktionen richten sich auch gegen seinen militärischen Komplex, Luftfahrt, Seefahrt, gegen seinen Zugang zu Vermögen. Jetzt sagen internationale Unternehmen, wir gehen, Sportveranstalter sagen zu Russen, ihr werdet nicht spielen, Bühnen sagen, ihr werdet nicht auftreten.
Was bewirkt dieses Vorgehen im Westen?
Das eint uns, es ist ein Moment der Klarheit, ein gemeinsamer Ruf nach Freiheit. Das alles fühlt sich nach einer neuen Einheit an. Europa ist schon so lange unser Freund, unser wichtigster Partner. Es ist wunderbar in diesem entscheidenden Moment diese Einigkeit zu sehen.
Gerade jetzt sehen wir diese Einheit der freiheitsliebenden Welt. Da hat sich auf einmal etwas geändert, diese Idee hat eine überwältigende Kraft bekommen. Als Kinder des Kalten Krieges nehmen wir das sehr ernst, wir nehmen diese Dinge nicht als selbstverständlich. Und wir sollten diesen Moment der Einigkeit und Solidarität auch nicht unterschätzen.
Worauf freuen Sie sich für die kommenden Jahre in Österreich?
Ich freue mich auf Gespräche, vor allem mit jungen Leuten: Gerade in diesem Moment, der auch der nächsten Generation die Bedeutung westlicher Werte klar macht, sie mit diesen Werten verbindet, etwa die Liebe zur Freiheit.
Ist der gesellschaftliche Zusammenhalt in den USA in den letzten Jahren nicht auch brüchig geworden?
Die USA sind ein großes Land mit vielen Gesichtern, wo Menschen eben sehr gerne ihre Meinung sagen. Wir haben eine Kultur des Widerspruchs und wir lassen diese Kultur gerne hochleben. Das sind wir, wir ermutigen zum Widerspruch, er ist sogar in unserer Verfassung verankert. Das alles ist munter und sehr lebendig. Aber in entscheidenden Momenten finden wir zur Einigkeit zurück. Als Biden seine Ansprache zur Lage der Nation hielt, standen beide Parteien auf und applaudierten dem Präsidenten. Das ist die Idee der Einigkeit, dieser gemeinsame Widerstand gegen die Aggression Putins.
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