Es bedurfte nicht erst des dunklen Haarfärbe-Tonikums, das Rudy Giuliani im heißen Scheinwerferlicht unvorteilhaft übers Gesicht rann, um in dem Chef-Consigliere Donald Trumps ein bemitleidenswertes Auslaufmodell zu erkennen. Das als Bürgermeister von New York im Trümmerfeld der Terror-Anschläge vom 11. September 2001 zum Nationalhelden aufgestiegene Unikum hatte schon vor seinem jüngsten Auftritt als oberster Enthüller einer angeblich von „betrügerischen Demokraten“ inszenierten „nationalen Verschwörung“ zu Lasten des US-Präsidenten nach Überzeugung von Experten kräftig an seiner Selbst-Demontage gearbeitet.
"Rudy ist verrückt geworden"
Zwei Beispiele: Ein kürzlicher Auftritt in gleicher Trump-Mission in Philadelphia – zwischen Porno-Shop und einem Krematorium. Ein Kurz-Auftritt des 76-Jährigen im neuen „Borat“-Film. Die Szene – ein alter Mann, der sich rücklings auf dem Hotelzimmerbett in Anwesenheit einer jungen Frau in die Hose fasst – ließ bei langjährigen Weggefährten alle Hemmungen fallen: „Rudy ist verrückt geworden.“ Der Satz hat derzeit in Washington Konjunktur.
Denn ohne jeden Beleg behauptete der Ex-Staatsanwalt allen Ernstes, dass Donald Trump bei der Wahl am 3. November wichtige Bundesstaaten wie Pennsylvania und Michigan mit Vorsprüngen von 300.000 bzw. 50.000 Stimmen gewonnen habe. Und dass nur eine Verschwörung, geleitet von Joe Biden persönlich, das wahre Ergebnis – „Amerika hat Donald Trump gewählt“ – frisieren konnte. Durch manipulierte Computer-Software einer Firma mit Verbindungen zu Venezuela, Finanzhilfen des Milliardärs George Soros und finsteren Netzwerken in „korrupten, demokratischen Großstädten“.
Warum macht Giuliani das? Der Mann, den Trump seit mehr als 40 Jahren kennt, wollte früher selbst ganz nach oben. Die Republikaner aber zeigten dem geborenen Brooklyner 2007 die kalte Schulter. Sie gaben Senator John McCain das Bewerber-Ticket fürs Weiße Haus. Giuliani, den Englands Queen nach „9/11“ zum „Sir“ schlug, hat das nie verkraftet. Er hält sich für genial.
Als sein Weggefährte Donald J. Trump 2015 Anlauf in Richtung Weißes Haus nahm, witterte er Rückenwind und Rampenlicht. Außenminister wollte er werden. Trump nahm lieber den Öl-Manager Rex Tillerson. Als sich Giuliani nicht mit den Alternativ-Top-Posten bei Heimatschutz und Justiz abspeisen lies, ging ein Aufatmen durchs Weiße Haus. „Ein Egozentriker weniger.“ Allerdings fanden sich die beiden wieder.
Als sich die Ermittlungen von Ex-FBI-Chef Robert Mueller in der Russland-Affäre 2018 wie eine Unwetterwolke über Trumps Präsidentschaft festsetzte, rutschte „mein Rudy“, wie Trump ihn nennt, wieder ins Team. Seine Funktion, wie später auch in der Ukraine-Affäre und heute im angeblichen Skandal um die Präsidentschaftswahl: Privat-Anwalt mit ausgeprägtem Selbstdarsteller-Drang, enger Anbindung an den diabolischen Trump-Einflüsterer Steve Bannon und hoher Fehlerquote.
Dass Giuliani in Kiew persönlich nach wahltaktisch verwertbarem „Schmutz“ gegen Biden suchte, dass er dessen Sohn Hunter unter Korruptionsverdacht setzte, dass er die Abberufung der damaligen US-Botschafterin Marie Yovanovitsch betrieb, dass er sich mit zwielichtigen Gestalten einließ, die seinerzeit am Flughafen in Washington vor der Flucht nach Europa verhaftet wurden – all das hat Giuliani auf den Radar der Staatsanwälte in New York gebracht. Untersuchungen laufen.
Kann so jemand in letzter Minute Trumps Wahlniederlage in einen Sieg umbiegen? Giulianis Tochter Caroline warnte ihren Vater, den sie Trumps „persönliche Bulldogge“ nennt, mehrfach davor, sich an den Präsidenten zu ketten. Trumps ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater John Bolton weiß, wie das Experiment ausgeht. „Giuliani ist eine Handgranate, die jeden in die Luft jagen wird.“
Kommentare