Wahl in Ruanda: Der Mann, der den Genozid beendete, aber Widerspruch nicht duldet
In Ruanda ist Paul Kagame seit mehr als 30 Jahren an der Macht, die er repressiv ausübt. Sein Sieg bei der Wahl vom Montag stand daher schon im Vorhinein fest.
Rot, weiß, blau – in den vergangenen Wochen wurde gleichsam ein ganzes Land in die Farben der Präsidentenpartei„Rwanda Patriotic Front“ (RPF) getaucht. Kreisverkehre, Straßenpfosten, Hauswände etc.
Dazu wurden die Buchstaben „PK“ aufgepinselt, für Paul Kagame, der sich am Montag nach 2003, 2010 und 2017 zum vierten Mal der Wiederwahl als ruandischer Staatschef stellte, und an dessen Sieg es schon im Vorfeld nicht den geringsten Zweifel gab.
Seit mehr als 30 Jahren ist der nunmehr 66-Jährige der starke Mann in dem kleinen Land (rund zwei Mal so groß wie Tirol) im Herzen Afrikas. Vielen der etwa 14 Millionen Ruandern gilt er als Held, beendete er doch 1994 den Genozid in seiner Heimat.
Damals hatte die Volksgruppe der Hutus ein beispielloses Massaker unter Tutsis und moderaten Hutus verübt: Binnen 100 Tagen wurden mehr als 800.000 Menschen teils mit Macheten und teils von ihren eigenen Nachbarn abgeschlachtet.
Kagame beendete diesen Albtraum, setzte auf einen Neubeginn und startete eine beeindruckende ökonomische Aufholjagd – und das alles aber mit eiserner Faust.
Oppositionelle, Regimegegner und kritische Journalisten werden bedrängt, müssen um ihr Leben fürchten. Viele sind (vorübergehend) ins Ausland geflohen.
So etwa auch Frank Habineza, der nun mutig den Langzeitregenten als einer von nur zwei zugelassenen Gegenkandidaten herausfordert. „Wir müssen in diesem Land die Grundlagen für die Demokratie schaffen“, sagte der 47-Jährige der "FAZ", „auch wenn es bedeutet, dass wir einen hohen Preis bezahlen müssen.“
Was er damit meint: Vor der Wahl 2010 wurde die Leiche des Vizevorsitzenden seiner Partei, der „Democratic Green Party of Rwanda“ (DGPR), enthauptet aufgefunden – der Mord ist bis heute nicht aufgeklärt.
Flucht nach Schweden
Habineza floh daraufhin nach Schweden, kehrte aber nach zwei Jahren „um der Demokratie willen“ in seine Heimat zurück, seine Familie blieb aus Sicherheitsgründen im hohen Norden. Bei dem Urnengang 2017 erreichte der Oppositionelle gerade einmal 0,48 Prozent, Kagame knapp 99 Prozent.
Ein repressiver Regierungsstil, eine lückenlose Kontrolle der Medien und nun auch der massive Einsatz von Künstlicher Intelligenz machen solche Ergebnisse möglich.
Wobei Kagame jüngst Kritik an seiner Führung zurückwies und meinte, Demokratie werde von den Menschen unterschiedlich interpretiert: „Wir haben unser eigenes Verständnis, das auf der einzigartigen Realität der Ruander beruht.“ Seine Politik richte sich darauf, „das Leben der Ruander zum Besseren zu wenden“.
Tatsächlich konnte das Land bis zur Corona-Pandemie mit jährlichen Wirtschaftswachstumsraten von sieben Prozent glänzen. Kagame etablierte Ruanda in Subsahara-Afrika als Konferenz- und IT-Zentrum.
In der Hauptstadt Kigali reihen sich moderne Bürobauten aneinander, die Straßen sind in einem Top-Zustand, die Müllberge, die die lehmigen Straßen früher säumten, sind verschwunden.
Die Digitalisierung ist weit vorangeschritten, so kann man sich etwa über das Smartphone Dokumente ausstellen lassen.
Die Korruption ist deutlich niedriger als in anderen Staaten des Kontinents, die Sicherheit höher.
Dieser Mix machte das Land attraktiv für Investoren. So hat etwa Volkswagen dort ein Werk gebaut.
Eine Milliarde Dollar Hilfe jährlich
Auch die internationale Gebergemeinschaft honoriert den Hort der Stabilität, wenngleich dies um den Preis der Repression erkauft wird: Mehr als eine Milliarde Dollar an Hilfsgeldern fließt pro Jahr nach Ruanda. Diese machen 40 Prozent des Staatsbudgets aus.
Die Finanzspritze wird dringend benötigt. Denn fast 40 Prozent der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze. Jedes dritte Kind ist unterernährt. Auch das ist eine Realität in Ruanda.
Zuletzt entdeckten europäische Staaten das Land als möglichen Abschiebeort für Migranten, die ihr Asylverfahren dann Tausende Kilometern entfernt abwarten sollten. Initiiert wurde dieses Modell, für das sich auch Österreichs Kanzler Karl Nehammer ausgesprochen hat, vom früheren britischen Premier Rishi Sunak. Dessen Nachfolger Keir Starmer hat diese Variante allerdings schon wieder verworfen.
Damit verliert Kagame viel Geld, denn die Umsetzung des Deals hätte das Königreich rund zwei Millionen Euro gekostet – pro Person. An der Wiederwahl des Präsidenten, der sich die Macht damit bis mindestens 2031 sichert, ändert das freilich nichts.
Der etwas resignative Kommentar seines Kontrahent Habineza: „In Ruanda sprechen die Leute gerne über Fußball, wenn man über etwa spricht, das mit Politik zu tun hat, werden sie aber schnell still.“
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