Rechtsnationalisten in den USA: Floyd kein Held, sondern Gangster
Die Tötung des Schwarzen US-Bürgers George Floyd durch einen weißen Polizisten schlägt weiterhin hohe Wellen. In Amerika selbst, wo es in Hunderten Städten zu Demonstrationen gegen Rassismus und Polizeiwillkür gekommen ist, treten nun vermehrt rechtsnationalistische Kreise auf, die Floyd nun in ein zwielichtiges Eck stellen wollen.
Eine von ihnen ist die 31-jährige schwarze Polit-Aktivistin Candace Owens. In ihrem mittlerweile mehrere Millionen Mal angeklickten Video wirft sie den alten Grundsatz “Über die Toten nur Gutes” über Bord und versucht den Schwarzen nach Kräften zu demontieren.
Unter dem Titel "Geständnis: Ich unterstütze George Floyd nicht, und ich lehne es ab, ihn als Märtyrer zu sehen. Aber ich hoffe, seine Familie bekommt Gerechtigkeit” zieht Owens gegen angebliche Bestrebungen vieler Medien und der schwarzen Community zu Felde, den 46-Jährigen zum “Helden” zu stilisieren, dessen gewaltsames Ableben das Tor zu gesellschaftlichen Reformen gegen den allgegenwärtigen Rassismus geöffnet habe.
In ihrer 18 Minuten dauernden Brandrede, die von US-Präsident Donald Trump in sozialen Netzwerken positiv gewürdigt und von Vizepräsident Mike Pence mit einer Einladung ins Weiße Haus belohnt wurde, porträtiert Owens Floyd als Kriminellen, der kein “Märtyrer für das schwarze Amerika” sein könne. Auch weil er zur Zeit der Festnahme am 25. Mai unter dem Einfluss harter Drogen (Fentany etc.) gestanden sei.
Liste von Floyds Vorstrafen
Akribisch listet Owens auf, dass Floyd unter anderem wegen Diebstahls und Drogenmissbrauchs seit 1998 sieben Mal jeweils für mehrere Monate im Gefängnis gesessen habe. Später korrigiert sie sich sarkastisch: “Es waren neun Verurteilungen”. Gesondert herausgestellt wird von ihr ein Raubüberfall auf eine schwangere Afroamerikanerin, bei dem Floyd seine Waffe auf den Bauch des Opfers gerichtet haben soll.
Kein Vorbild-Charakter
Aus Owens Sicht, die sie regelmäßíg an ihre 2,5 Millionen Twitter-Abonnenten weiterreicht, könne der bei der Trauerfeier am Dienstag im texanischen Houston als “sanfter Riese” und “wundervoller Vater und Freund” bezeichnete Ex-Basketballspieler kein Vorbild-Charakter sein.
Grundsätzlich stellt Owens zudem in Abrede, dass Floyds Tod für rassistisch motivierte Polizeigewalt stehe. Das sei ein “Mythos”, sagt sie, obwohl offizielle Statistiken das Gegenteil belegen, und behauptet: Das Risiko eines Polizisten, von einem Schwarzen erschossen zu werden, sei 18 Mal höher als umgekehrt.
Minderheitenmeinung
Owens Intervention gilt in afroamerikanischen Kreisen als “anti-schwarze” Minderheitsmeinung. Schwarze Kommentatoren im US-Fernsehen warfen der Chefin der Trump-nahen Jugendorganisation “Turning Point USA” vor, den Tod Floyds zu relativieren, weil er vorbestraft war.
Dass dies kein Kriterium sein könne, zeige der Lebensweg der Bürgerrechtsikone schlechthin, schreibt ein Kommentator der Chicago Tribune: Dr. Martin Luther King wurde fast 30 Mal hinter Gitter geschickt.
Weiße Nationalisten und Rechtsextreme fühlen sich seit Tagen in sozialen Netzwerken durch die Attacke von Owens anspornt - und bestätigt. Dort taucht der Name Floyd häufig in Verbindung mit dem Begriff “thug” auf. Was so viel wie Verbrecher bedeutet.
"Gewalttätiger Krimineller"
Eine Wortwahl, die nicht nur Angehörige Floyds als ehrabschneidend empfinden. “Das Vorleben von George hat nichts mit den Umständen seines Todes zu tun”, heißt es dort.
Was den republikanischen Kongress-Abgeordneten Mo Brooks aus Alabama nicht davon abhielt, auf Twitter zu schreiben, es sei falsch, wenn “Lügenpresse, Demokraten und Sozialisten einen Junkie und Gangster für politische Zwecke vergöttern”. Ähnlich hatte sich Bob Kroll, Polizeigewerkschafter in Minneapolis geäußert, wo der inzwischen des Mordes angeklagte Officer Derek Chauvin Floyd mit einer Kniepresse getötet hatte. “Warum schreiben die Medien nicht, dass Floyd ein gewalttätiger Krimineller war?“
Kommentare