Aber schafft eine Annexion eine Perspektive, wie sie der US-Plan vorsieht?
Wir haben es sehr begrüßt, dass es nun (nach drei Wahlgängen binnen Jahresfrist) eine israelische Regierung gibt. Das war ein erster Schritt, mein Zugang ist, dass Europa jetzt einmal die Hand ausstrecken muss und mit dieser Regierung in Dialog tritt. In der Außenpolitik macht der Ton die Musik. Wir sollen nicht gleich mit Megafon-Politik beginnen. Aus Erfahrung weiß ich, dass die Region immer für Überraschungen gut ist. Klar ist, jede Maßnahme muss im Einklang mit dem Völkerrecht stehen, unilaterale Akte würden dem widersprechen.
Diese letztlich doch klare Ablehnung einer Annexion kommt in Israel nicht gut an. Ist damit das Verhältnis zwischen Netanjahu und Kanzler Sebastian Kurz getrübt?
Überhaupt nicht. Die Beziehungen zwischen Österreich und Israel sind so gut, wie noch nie in der Zweiten Republik. Das ist die Handschrift des Kanzlers, der die historische Verantwortung Österreichs in klare Politik umgemünzt hat.
Aber immer wieder kommt der Eindruck auf, dass jegliche Kritik an der israelischen Politik mit Antisemitismus gleichgesetzt wird. Täuscht dieser Eindruck?
Man muss hier schon sehr vorsichtig sein. Gerade die österreichisches Außenpolitik tut gut daran, sich immer wieder in Erinnerung zu rufen, dass Österreich aufgrund der Geschichte eine große Verantwortung trägt.
Kann sich Österreich vorstellen, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, wie das die USA und andere Staaten getan haben?
Unsere Basis ist das Völkerrecht, und auch hier gibt es eine sehr klare Sprache des UN-Sicherheitsrates (der die Besetzungen Israels – eben auch Ostjerusalem – nach dem Sechstagekrieg 1967 verurteilt hat).
Kommen wir noch zu den Vorgängen in den USA nach der Tötung des Schwarzen George Floyd durch einen weißen Polizisten. Weltweit gibt es Protest dagegen.
Was an dem Fall George Floyd – neben der Tatsache an sich – so erschreckend ist, ist, dass es gerade die Vereinigten Staaten sind – ein offenes Land mit gleichen Werten, wie wir sie vertreten. Das ist das, was uns so unter die Haut geht. Daher verstehe ich auch die starke Emotionalität der Reaktionen. Wir dürfen nicht vergessen bei allen Reibungsflächen, die der aktuelle Präsident bietet: Das sind die Vereinigten Staaten.
Was meinen Sie damit?
Wir Europäer befinden uns mit ihnen letztlich in einer Lebensmodell-Gemeinschaft. Doch gerade jetzt sind wir global mit alternativen Modellen konfrontiert, die diese infrage stellen, etwa aus China. Da müssen wir wissen, es gibt einen großen Partner, mit dem wir einen Wertekanon teilen: Gewaltenteilung, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit. Bei aller Kritik: Die USA sind unser Partner. Sicher: Auch über andere Dinge, die die Administration getroffen hat, sind wir nicht glücklich. Etwa bei der Infragestellung von Abrüstungsverträgen oder dem Rückzug aus dem Pariser Klimaschutzabkommen. Daher müssen wir jetzt umso mehr schauen, dass wir die Amerikaner wieder ins Boot holen, weil wir Europäer brauchen die Zusammenarbeit mit der Weltmacht Nummer eins.
Abschlussfrage: Ist es hilfreich für die Haltung Österreichs vis-à-vis Russland, dass Ihre Vorgängerin Karin Kneissl jetzt für den russischen Propagandasender „RT“ tätig ist?
Ich kommentiere nicht die Tätigkeiten der von mir persönlich sehr geschätzten Vorgängerin. Es bleibt jedem unbenommen, wie er sich engagiert.
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