Israel: Noch ist die Annexion nicht fix

Israel: Noch ist die Annexion nicht fix
Front zieht sich quer durch alle Lager, Netanjahu bleibt wichtige Antworten schuldig.

Für Israels neue Regierung war der Blitzbesuch des deutschen Außenministers Heiko Maas am Mittwoch noch nicht ganz das Ende der Corona-Video-Diplomatie. Ein Abstecher ins benachbarte Ramallah wurde von den israelischen Gastgebern mit dem Hinweis auf die Quarantäne-Pflicht verhindert.

Israel: Noch ist die Annexion nicht fix

Maas mit Flaggen-Schutzmaske in Israel.

In Israel umstritten

Den Präsidenten der palästinensischen Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, traf er daher nur auf dem Bildschirm. Auf der Tagesordnung des Arbeitsbesuchs standen „regionale Herausforderungen und Chancen“. Vor allem Herausforderungen. Denn wenn am 1. Juli Deutschland den Vorsitz im EU-Rat übernimmt, will Israels Premier Benjamin Netanjahu die in der EU äußerst unerwünschte Annexion besetzter Palästinensergebiete einleiten. Auch in Israel ist eine Annexion umstritten. Nicht zwischen Linken und Rechten, wie in Europa viele glauben.

Die Front verläuft quer durch alle Lager: Für viele Linke wäre eine Annexion nichts weiter als die Annahme einer vor Ort seit 1967 unter der israelischen Besatzung mit ihrem Siedlungsbau gewachsenen Realität. Eine Trennung in zwei Staaten halten sie heute schon für unmöglich. Doch müsste eine Ausweitung der israelischen Oberhoheit auch Israels Bürgerrechte für die dort lebenden Palästinenser mit sich bringen. Was übrigens auch auf der palästinensischen Seite von einer Minderheit begrüßt würde.

Jedoch sehen viele Siedler den von US-Präsident Donald Trump ausgearbeiteten Friedensplan als „Honigfalle“. Er ermöglicht Israel zwar die Annexion von 30 Prozent der besetzten Gebiete. Geplant ist aber auch ein palästinensischer Staat. Doch schon im November könnte es zu spät sein, sollte Trump die US-Wahlen verlieren.

Israel: Noch ist die Annexion nicht fix

Wobei die Befürworter der Annexion fest damit rechnen, dass die Palästinenser den Trump-Plan wie angekündigt ablehnen. Soll heißen: Kein Staat Palästina entsteht. Für Benjamin Pogrund, Journalist und Schriftsteller, wäre das ein Desaster. Er war ein Freund Nelson Mandelas und Apartheid-Gegner in Südafrika. Heute lebt er in Israel und verteidigt seine neue Heimat gegen Apartheid-Vorwürfe: „Mit einer solchen Annexion wäre dies nicht möglich.“ Im Gegenzug droht die palästinensische Regierung mit einem einseitigen Schritt: Sie will den Staat Palästina ausrufen. Nicht zum ersten Mal, diesmal aber wohl mit breiterer internationalen Unterstützung.

Sanktionen drohen

Sanktionen und der Verlust an internationalem Ansehen drohen Israel. Weshalb in Umfragen eine Mehrheit die Annexion zum jetzigen Zeitpunkt ablehnt. Auch eine neue Intifada-Revolte der Palästinenser droht.

Bei all der politischen Spannung ist Premier Netanjahu wichtige Antworten schuldig: Will er das israelische Recht auf alle Siedlungen ausweiten? Oder nur auf das Jordan-Tal? Es liegen aber immer noch keine Entwürfe vor. Mit anderen Worten: Noch sind die Fragen nach dem „Wie?“ und „Wo?“ zweitrangig. Und „Ob“ es zur Annexion kommt, ist die Frage, auf die Netanjahu noch nicht geantwortet hat.

 

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