Boris Johnson hofft auf Queen’s Speech – auch ohne die kranke Königin
Elizabeth II. lässt sich am Dienstag bei ihrer Rede vor dem Parlament von ihrem Sohn Charles vertreten - sie ist zu krank. Premier Johnson hofft dennoch auf Rückenwind.
Die Gesundheit der Queen und die politische Gesundheit des britischen Premiers Boris Johnson stehen heute, Dienstag, in London im Brennpunkt: Denn Queen Elizabeth II., die in den vergangenen Monaten ja schon diverse Auftritte absagen musste, oft mit Hinweis auf Mobilitätsprobleme, wird die traditionelle Queen’s Speech dieses Jahr nicht verlesen.
Dass sie die von Ministern verfasste Regierungserklärung zur jährlichen Parlamentseröffnung im Oberhaus nicht selbst vorträgt, ist eine Seltenheit. In ihren 70 Jahren auf dem Thron verpasste die Monarchin sie sonst nur 1959 und 1963 – als sie schwanger war. 2020 fiel die Zeremonie wegen der Corona-Pandemie aus.
Für die angeschlagene 96-Jährige wird Thronfolger Prinz Charles (73) einspringen. Auch Prinz William (39) wird bei dem Termin dabei sein, hieß es vom Buckingham Palace.
Indes will der durch Skandale wie Lockdown-Partys im Regierungssitz politisch angeschlagene Johnson nach herben Verlusten seiner Tory-Partei bei Lokalwahlen in der Vorwoche die Rede der Queen nutzen, um bis zur nächsten Parlamentswahl wieder in Topform zu kommen.
Ein Rezept, auf das er sich bei seinem fulminanten Sieg bei den Parlamentswahlen 2019 verließ, soll hier als Elixier eine wichtige Rolle spielen: Der Brexit.
Mit Brexit punkten
So versprach der Premier bereits vor Enthüllung der mehr als 30 Gesetzesvorschläge eine „Goldgrube“ von sieben „Brexit-Gesetzen“, die Regelungen aus EU-Zeiten in Bereichen wie Gentechnik, Datenschutz und Finanzsektor reformieren sollen, weil sie „für Großbritannien nicht funktionieren“.
Ein geplantes „Brexit-Freiheiten-Gesetz“ soll auch die Aufhebung oder Veränderung von hunderten EU-Regeln im britischen Gesetzbuch vereinfachen, die beim Austritt aus der Union der Einfachheit halber übernommen worden waren. Das soll bürokratische Kosten für britische Unternehmen um 1.2 Milliarden Euro senken.
Wachstum ankurbeln
Mit diesen und anderen Maßnahmen will Johnson laut Times vor allem auch das Wachstum ankurbeln, um in Zeiten von Rekordinflation die traditionelle Wirtschaftskompetenz der Tories wieder zu unterstreichen.
Gleichzeitig will er sich aber offenbar etwas vom europäischen Kontinent abschauen. Denn in der Pandemie erlassene temporäre Regeln haben die Außengastronomie im größten Landesteil England vereinfacht, etwa indem sie das Aufstellen von Tischen im Freien für Pubs und Cafés unbürokratischer machten. Diese Erleichterung einer Gastrokultur, die britische Medien gerne als „kontinental“ beschreiben, will Johnson jetzt permanent machen.
Mit Spannung wird auch erwartet, welche Worte in der Queen’s Speech zum Streit um den Sonderstatus von Nordirland im Brexit-Vertrag gefunden werden. Dieser erschwert nach den Wahlen der Vorwoche auch die Bildung einer neuen Regionalregierung in Belfast zwischen der katholischen Sinn Fein, die eine Vereinigung mit Irland anstrebt und erstmals die meisten Mandate gewann, und der protestantischen, unionistischen DUP. Diese fordert von London, Teile des Brexit-Deals zu kippen.
Ein kürzlich aus Regierungskreisen angedrohtes Gesetz zu einer solchen einseitigen Aufhebung soll laut BBC in der Rede der Königin nicht vorgelegt werden.
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