Prozess um Mafia-Mord-Serie: Italiens Oberstes Gericht bestätigt Freispruch

Prozess um Mafia-Mord-Serie: Italiens Oberstes Gericht bestätigt Freispruch
Über 30 Jahre nach den Mafia-Morden gibt es neue Urteile. Was damals passiert ist und wo die Mafia noch aktiv ist.

In einer der aufsehenerregendsten Mafia-Mord-Serien geht 31 Jahre später ein weiteres Kapitel zu Ende. Italiens Oberstes Gericht hat am Donnerstagabend die Freisprüche für drei hochrangige ehemalige Carabinieri im spektakulären Mafia-Prozess um die Serie von Bombenanschlägen in den 1990er-Jahren bestätigt.

Damit wurden endgültig Vorwürfe aus dem Weg geräumt, der Staat habe dabei mit sizilianischen Mafiosi zusammengearbeitet. Freigesprochen wurde auch ein Vertrauter von Ex-Premier Silvio Berlusconi, Marcello Dell'Utri.

In dem seit 15 Jahren laufenden Verfahren ging es um Vorwürfe, staatliche Vertreter hätten nach einer Reihe von Mafia-Bombenanschlägen und Attentaten, bei denen 23 Menschen, darunter die prominenten Anti-Mafia-Richter Giovanni Falcone und Paolo Borsellino, getötet wurden, mit der Mafia verhandelt. 

Im Folgenden berichten wir über:

  • Verjährungen für Mafiosi
  • den spektakulären Mord an den Mafia-Jägern Falcone und Borsellino
  • die heutigen Tätigkeitszonen der italienischen Mafia

Berlusconi-Vertrauter beschuldigt

Das erstinstanzliche Urteil im aktuellen Prozess wurde 2018 nach einem fünfjährigen Prozess gefällt. Die Ermittlungen in diesem Fall hatten vor 15 Jahren begonnen. Ex-Senator Dell'Utri, ein Vertrauter Berlusconis, wurde beschuldigt, einen Deal mit der Mafia ausgehandelt zu haben, um die Anschläge zu verhindern. Er wurde deswegen erstinstanzlich zu einer zwölfjährigen Haftstrafe verurteilt, ebenso wie zwei pensionierte Generäle der Carabinieri. 2021 folgte dann der Freispruch durch ein Berufungsgericht, der jetzt vom Obersten Gericht bestätigt wurde.

Anklagen gegen Mafia-Bosse verjährt

Die Anklagen gegen den Mafiaboss Leoluca Bagarella, der von einem Berufungsgericht in Palermo zu 27 Jahren Haft verurteilt worden war, und gegen den Arzt und Mafia-Boss Nino Cina, der in zweiter Instanz zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, wurden beide für verjährt erklärt.

Das italienische Justizsystem sieht drei Stufen vor. Angeklagte können zweimal Berufung einlegen. Durch lange Verfahrensdauer verjähren in Italien weit mehr Fälle als in anderen europäischen Ländern. Die EU kritisiert bereits seit Jahren die Ineffizienz der italienischen Gerichte.

    Falcone-Attentat

    Was aber ist der Hintergrund der berüchtigten sizilianischen Mafia-Mord-Serie?

    Am 23. Mai 1992 fährt der Untersuchungsrichter Giovanni Falcone in seinem gepanzerten Auto Richtung der sizilianischen Hauptstadt Palermo. Falcone ist als Mafia-Jäger bekannt und lebt unter ständiger Lebensgefahr vor der Rache der Cosa Nostra, der sizilianischen Mafia.

    Denn: Er hat Anfang der 1980er-Jahre eine Sonderkommission zur Bekämpfung der Mafia errichtet. Drogen- und Waffenhandel, Prostitution, die Bauwirtschaft, das Gesundheitswesen, die Müllabfuhr – das organisierte Verbrechen zieht seine Fäden. Bestochen (oder erpresst) werden Politiker und Justizbeamte. Unternehmen zahlen "Schutzgeld", wenn sie ihre Geschäfte unbehelligt betreiben wollen. 

    Prozess um Mafia-Mord-Serie: Italiens Oberstes Gericht bestätigt Freispruch

    Der von ihm geführten Sonderkommission und seinem engsten Kollegen und Vertrauten, Paolo Borsellino, gelingt es, mittels eines Kronzeugen den aus 100 Clans bestehenden Aufbau der Cosa Nostra zu enttarnen. 1986 kommt es zum "Maxi-Prozess" gegen 475 Mitglieder der "Ehrenwerten Gesellschaft". 344 Angeklagte wandern für insgesamt 2.665 Jahre hinter Gitter. Daraufhin beginnt eine Mord-Serie auf Polizeioffiziere, Journalisten, Richter, Staatsanwälte, Politiker. 

    An jenem Tag im Mai übt die Cosa Nostra Rache. Attentäter der Cosa Nostra platzieren Sprengstoff unter der Autobahnbrücke bei Capaci und zünden die Bombe, als Falcone die Stelle überfährt. Wenige Wochen später wird auch Borsellino mit einem Sprengstoff-Attentat getötet. 

    Mehr zu dem Attentat und Giovani Falcone lesen Sie hier: Das Attentat: Sein Tod macht Giovanni Falcone zur Legende

    Schwächere Haftbedingungen gegen Ende der Anschläge

    Daraufhin soll die Cosa Nostra Anfang der 90er-Jahre eine Reihe von Forderungen an den Staat gestellt haben, unter anderem die Abschaffung der für Mafiosi erschwerten Haftbedingungen. Dafür wollte die Mafia keine weiteren Anschläge wie jene verüben, die 1992 zum Tod der beiden Anti-Mafia-Jäger Falcone und Borsellino geführt hatten.

    Infos zur Verhaftung des Bosses der Cosa-Nostra lesen Sie hier: 30 Jahre auf der Flucht: Meistgesuchter Mafia-Boss Italiens verhaftet

    Anschlag auf Uffizien und Laternabasilika

    Nach den Anschlägen auf Falcone und Borsellino erhöhte die Cosa Nostra den Druck mit beispiellosen Anschlägen, darunter auf die Uffizien in Florenz und auf die Lateranbasilika in Rom. Zehn Menschen wurden in Mailand und Florenz getötet. Nach 1993 hörten die Anschläge abrupt auf.

    Die Mafia ist nicht Geschichte

    Auch heute ist die italienische Mafia noch sehr aktiv. Laut einer Studie des Forschungszentrums des Handwerkerverbands CGIA setzt alleine die sizilianische Mafia jährlich 40 Milliarden Euro um. Die wichtigsten "Geschäftszweige" seien nach wie vor der Drogenhandel sowie Erpressung, Wucher und Schutzgelder. Auch mit Prostitution und Waffenhandel floriere die Mafia italienweit.

    Wo welche Organisation aktiv ist: 

    Die Mafia in Italien

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