Prozess im Fall Floyd: Schwierige Suche nach Geschworenen
Wäre nicht Darnella Frazier gewesen, die am 25. Mai 2020 die wohl furchtbarsten Acht-Minuten-und-46-Sekunden in der jüngeren amerikanischen Geschichte mit ihrer Handy-Kamera aufnahm, dann hätte Richter Peter Cahill seit Montag im Bezirks-Gerichtssaal C-1856 in Minneapolis vermutlich einen leichteren Stand.
Der Richter im mit großer Anspannung erwarteten Prozess um den von der Polizei herbeigeführten gewaltsamen Tod des Afro-Amerikaners George Floyd wird in den kommenden drei Wochen zwölf Geschworene und vier Stellvertreter auszusuchen haben.
Sie müssen - mit Zustimmung von Anklage und Verteidigung - glaubhaft in der Lage sein, ein unabhängiges Urteil gegen den wegen Mordes und Totschlags angeklagten weißen Officer Derek Chauvin zu fällen.
Dem 44-jährigen Chauvin drohen bei einer Verurteilung im Extremfall über 50 Jahre Haft.
Dauer-Berichterstattung
Selten, darin sind sich Rechtsexperten einig, war es so schwierig, Menschen zu finden, die nach weltweiter Dauer-Berichterstattung und Endlos-Schleifen des besagten Tatzeugen-Videos in sozialen Medien als unvoreingenommen in einem Fall gelten können, der in Amerika die größten Anti-Rassismus-Proteste seit den 1960er Jahren ausgelöst hat.
Die von Cahill festgelegten Spielregeln sehen vor, dass Chauvins Anwalt maximal 15 Juroren ohne Angabe von Gründen ablehnen darf, die Staatsanwaltschaft kann neun Geschworene wortlos ausmustern. Der Prozess wird vom Gerichtssender Court TV an jedem Verhandlungstag bis zu 14 Stunden lang live übertragen.
Um den Pool potenzieller Geschworenen einzuengen, wurden Mitte Dezember Hunderte Einwohner aus Hennepin County, dem Bezirk, in dem Minneapolis liegt, mit einem 16-seitigen Fragebogen eingedeck. Gefrag wurde etwa: Beschreiben Sie alles, was Sie über den Fall wissen! Woher beziehen Sie Ihre Nachrichten? Was denken Sie über die Black Lives Matter-Bewegung?
Sorge vor Gewalt
Der aus Sorge vor erneuten Ausschreitungen mit mehreren Sicherheitsringen abgeschirmte Schauplatz des Prozesses liegt nur wenige Kilometer entfernt vom Lebensmittelgeschäft Cup Foods an der Kreuzung Chicago Avenue/38th Street.
Dort hatte George Floyd am Memorial Day 2020 angeblich mit einer gefälschten 20-Dollar-Note Zigaretten kaufen wollen. Das war der Ausgangspunkt eines Polizei-Einsatzes, der landesweit Reformen über einen lange umstritten Knackpunkt ausgelöst hat: Wie weit dürfen „Cops” bei der Festnahme von Tatverdächtigen gehen?
"I can't breathe"
Derek Chauvin drückte sein Knie in den Nacken Floyds, bis der mit den Händen auf dem Rücken gefesselt auf dem Asphalt liegende Schwarze das Bewusstsein verlor. 16 Mal klagte der 46-Jährige, dass er keine Luft mehr bekommt. Chauvin ignorierte die „I can’t breathe“-Rufe. Als Floyd schrie: „Sie bringen mich noch um“, entgegnet der vorher für ähnliche Gewaltexzesse bekannt gewesene Uniformierte: „Dann hör auf zu schreien. Man braucht verdammt viel Sauerstoff, um zu reden.“
Selbst als Passanten den Cop eindringlich aufforderten, von Floyd abzulassen, zeigte sich Chauvin taub.
Gerichtsmediziner: "Mord"
Bei der Autopsie der Leiche stellte der Gerichtsmediziner fest, dass der Tod Floyds ein Mord war. Chauvins Anwalt sagt, der Schwarze sei an den Folgen einer Überdosis Fentanyl gestorben, sein Mandant müsse freigesprochen werden. Die Eröffnungs-Plädoyers in der Sache sind für den 29. März geplant. Wenn bis dahin die 12 plus 4 Geschworenen ausgesucht sind.
Kommentare