"Politische Maskerade"?: Fragestunde für Routinier Hahn
Am 1. November beginnt für Johannes Hahn (ÖVP) eine neue Aufgabe. Sollte die Kommission der designierten Präsidentin Ursula von der Leyen angenommen werden, bedeutet das für den Routinier der österreichischen EU-Politik die dritte Amtszeit als EU-Kommissar.
Am Donnerstag muss sich der 61-Jährige der Anhörung der für sein neues Ressort zuständigen Ausschüsse im Europaparlament stellen.
Nach den Themen Regionen und Erweiterung soll Hahn nun das Kernressort Budget übernehmen. Dort erwarten ihn vor allem schwierige Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen bis 2027 sowie zum Brexit.
Hahn selbst zeigte sich in den vergangenen Tagen zuversichtlich für die Anhörung im Europäischen Parlament. „Ich bin seit zehn Jahren Kommissar und habe in dieser Zeit sowohl meinen Einsatz für die europäischen Interessen, als auch meine Unabhängigkeit bewiesen“, beantwortete Hahn bereits vorab schriftliche Fragen aus dem EU-Parlament. In beiden seiner vorherigen Ressorts habe er mit dem Budget gearbeitet, was ihm „Erfahrung“ eingebracht habe.
Anteile verkauft
Die EU-Abgeordneten im für die Prüfung von Interessenskonflikten zuständigen Rechtsausschuss hatten Hahn vergangene Woche empfohlen, seine Anteile unter anderem an Erste Group und Raiffeisen Bank International zu verkaufen. Hahn willigte ein.
Wirklich umstritten ist der Österreicher aber nicht. Seine bisherigen Tätigkeiten, sein gutes Verhältnis sowohl zum EU-Parlament als auch zu den Mitgliedstaaten und sein Ruf als Pragmatiker sprechen für ihn. Auch dass ein Österreicher das wichtige Budgetressort übernehmen soll, ist angesichts der Tatsache, dass Österreich ein verlässlicher Nettozahler an die EU ist, unumstritten. Er freue sich auf das Hearing, hört man aus seinem Umfeld.
Seine neuerliche Nominierung verdankt er dem Zufall. Ohne das Misstrauensvotum gegen die Regierung Kurz wäre wohl Karoline Edtstadler (ÖVP) als Kommissarin vorgeschlagen worden. Die Interimsregierung von Brigitte Bierlein nominierte mit Zustimmung aller Parlamentsparteien Hahn.
Allgemeine Kritik gibt es an der Prozedur des „Grillens“, wie die Hearings in Brüssel gern genannt werden. Die französische Abgeordnete Manon Aubry von der Europäischen Linken nennt die Prüfung der Kandidaten eine „politische Maskerade“: Eine tatsächliche Untersuchung finde nicht statt. Eine „zunehmende Politisierung“ bestätigen auch Abgeordnete anderer politischer Blöcke.
Politisches Gezerre
Zumindest ein Mitgrund dafür: das diesmal gescheiterte „Spitzenkandidaten-Modell“. Weil sich einige Mitgliedstaaten dagegen wehrten, wurde nach der EU-Wahl keiner der informellen Spitzenkandidaten der europäischen Parteifamilien zum Kommissionspräsidenten ernannt, sondern Kompromisskandidatin Ursula von der Leyen. Das startete ein politisches Gezerre um die Kommissare und deren Ressorts. Es gehe nur noch darum, „dass die Blöcke ihre Kandidaten verteidigen“, so Aubry.
Ablehnen kann das EU-Parlament nur das gesamte Kommissionsteam, nicht aber einzelne Kandidaten. In den Hearings geben die für die jeweiligen Kommissare zuständigen Ausschüsse (in Hahns Fall Haushalts- und Haushaltskontrollausschuss) ihre Empfehlungen ab.
Lehnen sie einen Kandidaten ab, wird er nicht automatisch aus der Kommission geworfen. Um eine Mehrheit im EU-Parlament für die neue Kommission nicht zu gefährden, wird ein Ressortwechsel oder ein Ersatzkandidat vorgeschlagen.
Zwei geplante Kommissare mussten bereits ersetzt werden: die Rumänin Rovana Plumb und der Ungar Laszlo Trocsanyi. In Ungarns Fall wurde EU-Botschafter Oliver Varhelyi nachnominiert, von Bukarest der Sozialdemokrat Dan Nica. Kein grünes Licht gibt es vorerst auch für die Französin Sylvie Goulard. Grund sind die Ermittlungen der EU-Anti-Betrugsbehörde Olaf wegen möglicher Scheinbeschäftigung eines Assistenten im EU-Parlament.
Am 23. Oktober stimmt das EU-Parlament über die Riege der Kommissare ab. Am 1. November soll die neue Kommission jene von Jean-Claude Juncker offiziell ablösen.
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