Ergebnis nicht final
Expertin Maria Skóra vom Institut für Europäische Politik ruft jedoch im KURIER-Gespräch zur Vorsicht auf, glaubt erst an eine Regierung unter KO-Chef Donald Tusk als Premier, wenn sie wirklich feststeht. Die Regierungspartei werde das Zepter der Macht nicht so einfach aus der Hand geben, glaubt sie: „Die PiS wird noch mit einigen Tricks versuchen, doch weiterregieren zu können.“
Aktuell „flirte“ sie etwa mit der Polnischen Bauernpartei bzw. dem Bündnis Dritter Weg, das vor der Wahl eigentlich angekündigt hatte, mit Tusks KO koalieren zu wollen. Es gehe also auch um die Integrität der Kleinparteien.
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Und: Die finalen Ergebnisse gebe es erst Dienstagnachmittag oder am Mittwoch, denn die Organisatoren der Wahl waren laut Skóra nicht auf eine derart hohe Wahlbeteiligung – 73 Prozent – vorbereitet. „In Warschau und Breslau sind die Leute teilweise drei bis fünf Stunden vor dem Wahllokal angestanden“, sagt sie. Die Leute seien sehr entschlossen gewesen, die letzte Wählerin in Breslau etwa habe ihre Stimme erst am Montag um 2:45 abgegeben.
Regierungsbildung kann Monate dauern
Was relativ klar ist: Die PiS dürfte als stimmenstärkste Partei wohl zunächst den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten. Es könnte also noch Monate dauern, bis es tatsächlich zu einer Regierung unter Donald Tusk käme. Und auch dann würde die Frage bleiben, wie viel eine solche wirklich verändern kann.
Die KO ist zwar mit dem Versprechen angetreten, PiS-Maßnahmen wie das besonders strenge Abtreibungsgesetz oder die umstrittene Justizreform rückgängig zu machen. Es sei aber nicht sicher, ob das wirklich möglich wäre, sagt Skóra: „Die KO ist höchst motiviert, aber das ist nicht einfach – auch, wenn die PiS nicht mehr regiert, hat sie noch immer parteinahe Persönlichkeiten in wichtigen Institutionen und Ämtern installiert.“
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Als Beispiele nennt die Expertin das Verfassungstribunal, den Obersten Gerichtshof, die Nationalbank – und auch Staatspräsident Andrzej Duda. Der wurde als PiS-Kandidat ins Amt gewählt und verließ die Partei zwar 2015, tritt ihr gegenüber aber überwiegend loyal auf. Zu den Wählerbefragungen äußerte er sich bisher nur zurückhaltend und ließ nicht durchblicken, wie er zu einer Regierung Tusk stehen würde. Mit seinem Vetorecht könnte er aber viele ihrer Pläne verhindern.
"Schlacht wohl gewonnen, aber Krieg nicht vorbei"
Zusammengefasst sagt die Expertin dazu: „Die Schlacht ist wohl gewonnen, aber der Krieg ist noch nicht vorbei.“ Dazu kommt, dass die neue Regierung einen starken Fokus auf die schlechte Wirtschaftslage legen wird müssen – die Staatsverschuldung war noch nie höher.
Für die EU wäre es eine gute Nachricht, wenn die KO regieren würde, glaubt Skóra. „Donald Tusk ist sehr EU-affin und in Brüssel bekannt“, so die Expertin. Der Danziger war von 2014 bis 2019 Ratspräsident. Aber: „Es würde auch mit ihm als Regierungschef weiterhin Interessenskonflikte mit der EU geben.“
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Konfliktpunkte gebe es etwa in der Klima- und Energiepolitik, vor allem beim Kohleausstieg. Polen ist jenes Land, das in der EU bei seiner Energiegewinnung am meisten auf Kohle setzt. Aber auch bei der Migration könnte man sich nach wie vor uneinig sein. „Tusk war stets skeptisch, was die Verteilung von Migranten und Migrantinnen bzw. eine Quote angeht“, sagt Skóra. Das alles seien Themen, bei denen sich die polnischen Interessen nicht über Nacht ändern würden.
Der große Unterschied: „Es wäre eine andere Art von Diskussion. Auch, wenn eine Tusk-Regierung mit EU-Entscheidungen unzufrieden wäre, würde sie diese akzeptieren.“
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