Othmar Karas will EU-Parlamentschef werden

Othmar Karas (ÖVP), Vizepräsident des EU-Parlaments
In einer "persönlichen Erklärung" kündigte der ÖVP-Politiker seine Kandidatur an, die ÖVP-Delegation in Brüssel stehe voll hinter seinen Plänen.

Othmar Karas ist nicht nur den Worten nach ein glühender Europäer, sondern durch und durch. Medien bezeichnen den derzeitigen Vize-Chef des EU-Parlaments gerne als "europäisches Gewissen der ÖVP", immer wieder wurde er als möglicher EU-Kommissar gehandelt.

Wie Karas am Dienstag in einem Online-Pressegespräch ankündigte, strebt er nun ein anderes hohes Amt an: Er möchte Präsident des EU-Parlaments werden. Er werde in der Europäischen Volkspartei (EVP), der die ÖVP angehört, um eine Nominierung für die Wahl im Jänner sowie in den anderen Fraktionen um Unterstützung werben, sagte der 63-Jährige. Innerhalb der ÖVP-Delegation in Brüssel habe er diese bereits einstimmig erhalten.

Es gehe bei der Wahl des neuen EU-Parlamentsschefs nicht um eine Funktion für eine Person, so Karas. Sondern um die Rolle des Europaparlaments als eine der tragenden Säulen der EU. Diese müssen stärker werden als bisher, um einer drohenden Spaltung Europas entgegenzuwirken, warnte der gebürtige Niederösterreicher.

Wie er das schaffen wolle, habe er in einem Brief an die Mitglieder der EVP-Fraktion dargelegt. "Die EU und auch das EU-Parlament stehen vor einer Bewährungsprobe", heißt es in dem Schreiben, das dem KURIER vorliegt: "Es ist ernst wie lange nicht mehr. Politik ist kein Spiel. Es geht um Verantwortung und Inhalte. Nicht um Taktik und Populismus."

Gute Chancen

Laut Beobachtern hat Karas gute Chancen, tatsächlich EU-Parlamentschef zu werden - nicht nur wegen seiner langjährigen Erfahrung als Abgeordneter und Vize-Parlamentschef und seines Renommees als moderater Konservativer und streitbarer Verteidiger der europäischen Idee.

Die zwei größten Fraktionen im Parlament, derzeit die EVP und die Progressive Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D), teilen in der Regel das Amt des Parlamentspräsidenten unter sich auf. Der italienische Sozialdemokrat David Sassoli übernahm so die ersten zweieinhalb Jahre der laufenden Legislaturperiode; ihm folgt nun im Jänner ein EVP-Mitglied nach, über das im Plenum abgestimmt werden muss.

Karas’ Chancen könnten allerdings dadurch geschmälert werden, dass er wie schon Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen deutschsprachig ist

Der ÖVP-Mann ist jedenfalls der erste Bewerber innerhalb der EVP, der sich offen deklariert hat. Es wird aber damit gerechnet, dass er mehrere Konkurrenten haben wird.

"Meines Wissens nach gibt es in der Fraktion noch keinen Beschluss über Vorgangweise und Zeitplan, das tut mir auch leid, daher habe ich mich entschieden, den Stein ins Rollen zu bringen", erklärte Karas am Dienstag. Eine Entscheidung über den endgültigen Kandidaten oder die Kandidatin der EVP-Fraktion erwarte er Ende des Monats.

Überraschendstes Ass

Die EU begleitet Karas' Karriere jedenfalls schon lange: 1999 zog er für Österreich ins EU-Parlament ein. Lange hielt man ihn zuhause für zu spröde für die erste Reihe, doch dann kam er 2009 in einem Vorzugsstimmen-Wahlkampf auf knapp 113.000 persönliche Unterstützungen kam. Dies hatte er freilich auch indirektem Protest der VP-Wähler gegen die Kür von Ernst Strasser zum Listenersten zu verdanken.

Spätestens seit er 2014 immerhin noch fast 83.000 Vorzugsstimmen holte, galt Karas als überraschendstes Ass der ÖVP. Der 63-Jährige kann sich daher mehr leisten als manch anderer in der Partei, immer wieder übt er Kritik an Entscheidungen. Die von Türkis-Blau forcierte Kürzung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder etwa hielt er für EU-rechtswidrig. Kritisch sah Karas auch, dass Österreich den UNO-Migrationspakt nicht unterzeichnet hat.

2019 erzielte Karas bei der EU-Wahl mit rund 103.000 denn auch neuerlich eine hohe Zahl an Vorzugsstimmen. Er musste sich aber mit Platz zwei hinter Karoline Edtstadler begnügen. Die heutige Europaministerin, die Karas von Sebastian Kurz als EU-kritischere Stimme an die Seite gestellt worden war, erhielt knapp 115.900 Vorzugsstimmen.

Bewegte Karriere

Karas wurde 1957 in Ybbs an der Donau als Sohn eines Bezirksschulinspektors und einer Volksschuldirektorin geboren. Der Niederösterreicher begann seine politische Laufbahn früh, als Obmann der ÖVP-nahen Union Höherer Schüler (UHS) und der Jungen ÖVP.

Von 1983 bis 1990 saß Karas im Nationalrat, 1995 wurde er unter Wolfgang Schüssel ÖVP-Generalsekretär. 1996 schloss er sein Politikwissenschafts-Studium ab, 2017 das Doktorat. Seit 1998 ist Karas Präsident des Österreichischen Hilfswerks und seit 1999 Mitglied des Europaparlaments. Er ist verheiratet mit der Tochter des früheren Bundespräsidenten Kurt Waldheim, Christa, und hat einen Sohn.

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