Orbán will in Berlin Ungarns Niederlagen ein Ende setzen
Der ungarische Ministerpräsident gilt aktuell selbst unter Rechtsparteien nicht gerade als der beliebteste Partner. In Berlin versucht er, gute Miene zu machen.
Der Besuch in Deutschland begann für den bekanntlich fußballbegeisterten Viktor Orbán mit einer Niederlage – und zwar mit dem 0:2 Ungarns gegen Deutschland bei der EMam Mittwoch, dem der ungarische Ministerpräsident von der Tribüne aus beiwohnte. Wenige Plätze weiter jener Mann, auf den er am Freitag in Berlin traf: der deutsche Kanzler Olaf Scholz (SPD).
Auch auf politischer Ebene ist der national-konservative Orbán derzeit weniger erfolgreich: Zuletzt hat der Europäische GerichtshofStrafzahlungen gegen die ungarische Regierung verhängt, weil diese europäische Asylregelungen nicht umsetzt; etwa die Möglichkeit, einen Asylantrag zu stellen, ins Ausland ausgelagert hat. 200 Millionen Euro sollen gezahlt werden, eine Million Euro für jeden weiteren Tag, an dem Budapest ein EuGH-Urteil aus dem Jahr 2020 nicht umsetzt.
Suche nach Verbündeten
Seine Fidesz-Partei verlor bei der EU-Wahl an Stimmen und Mandaten. In Brüssel sucht man gerade heftig nach Partnern, aber das gestaltet sich schwieriger, als es sich Orbán wohl vorgestellt hat. Den Platz in der EVP, der Fraktion der Europäischen Volkspartei, der Fidesz bis 2021 angehörte, hat ihm die TISZA-Partei des aufstrebende Orbán-Kritikers Péter Magyar weggeschnappt. Zwar hat Orbán selbst sowieso eher ein Auge auf die rechten Fraktionen EKR (Europäische Konservativen und Reformer) und ID (Identität und Demokratie) geworfen. Doch viele Angehörige der EKR, darunter Rechtsparteien aus Italien, Finnland, Tschechien, Belgien und Schweden, stoßen sich an Orbáns kremlfreundlichen Positionen und seiner fehlenden Unterstützung gegenüber der Ukraine. Selbst die extremistische, rumänische AUR ist der Fraktion lieber als seine Fidesz-Partei. Gespräche mit der noch rechteren, teils rechtsextremen ID laufen noch.
In Berlin erwarteten den ungarischen Ministerpräsidenten ähnliche Unstimmigkeiten: Scholz dürfte beim Treffen seinen ungarischen Amtskollegen ermahnt haben, gerade in den nächsten Monaten, wenn Ungarn ab 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt, die Interessen Europas im Blick zu behalten. Orbán wiederum dürfte Scholz beruhigt haben, diese im Sinne der EU gestalten zu werden, und wiederholt auf die Auszahlung der zurückgehaltenen EU-Milliarden gepocht haben.
Kompromiss gegen Milliarden
Denn Kursänderungen gibt es bei Orbán nur gegen Geld oder Zusagen, wie diese Woche einmal mehr die Zustimmung Ungarns zum neuen NATO-Generalsekretär Mark Ruttezeigte. Gleichzeitig gelingt es Orbán doch immer wieder, mit richtigen Themen eine Isolation abzuwenden: Orbán ist wie Scholz entschieden gegen EU-Zölle auf subventionierte chinesische E-Autos. Genauso ist Ungarn ein lauter Befürworter einer engeren Anbindung des Westbalkans an die EU, damit stößt Orbán auch in Berlin auf offene Ohren.
Gut möglich, dass Ungarn auf dieses Thema in den kommenden Monaten Ratspräsidentschaft besonders pocht. Wenn auch Orbáns Einsatz nicht ganz ohne Eigeninteresse ist: Orbán geht es vor allem um Serbien und den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der eine ähnliche Außen- und Wirtschaftspolitik etwa gegenüber Russland und China verfolgt wie Ungarn.
Selbstkritik sucht man bei Orbán aber vergeblich: Der ungarische Regierungschef nehme sich nicht als isoliert wahr und sehe sich trotz fehlender Sympathien anderer rechter Parteien als "Anführer" der europäischen Konservativen, wie ungarische EU-Diplomaten bestätigen. In seiner Ansprache, die der staatliche Radiosender Kossuth jeden Freitag überträgt, warnte er einmal mehr vor einer "kriegstreiberischen, wirtschaftsfeindlichen und migrationsfreundlichen Koalition" unter einer neuerlichen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Sogar von der Verschwörungstheorie eines "geplanten Bevölkerungsaustausch" sprach er. Auch gegen Deutschland teilte der Regierungschef aus: Es "schmecke und rieche" nicht mehr wie früher, so Orbán, der bekanntlich einen harten Anti-Migrationskurs fährt; Schuld sein "ein spezifisches kulturelles Milieu", weil "linksgerichtete Regierungen im Schnellverfahren die Staatsbürgerschaft gewähren, Familienzusammenführung, was auch immer".
Ob Scholz im bilateralen Gespräch darauf Bezug nimmt, bleibt hinter verschlossenen Türen. Eine gemeinsame Pressekonferenz war nicht geplant.
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