"Make Europe great again": Nervosität in Brüssel vor Ungarns EU-Vorsitz
Die Pointe ist zwar nicht gerade originell, aber sie wirkt. "Make Europe great again" lautet das Motto für Ungarns Vorsitz im EU-Rat, der am 1. Juli startet. Unschwer daran zu erkennen, die Anleihe, die man dabei bei genau dem Mann gemacht hat, vor dem man sich in Europa derzeit - nach Putin - am meisten fürchtet: Donald Trump. Der führt ja gerade mit seinem bewährten Motto "Make America great again" seinen dritten Wahlkampf ums Weiße Haus.
EU Auf Trump-Linie?
Orban bedient sich also bei Trump, dessen politischen Stil er nicht nur ausdrücklich schätzt, sondern den er auch als Führungsfigur jenes neuen rechtskonservativen Trends sieht, den Orban auch in Europa durchsetzen will. Ab 1. Juli also bekommt Ungarns Premier dafür ausführlich Gelegenheit. Der halbjährliche Vorsitz seines Landes im EU-Rat der 27 Mitgliedsländer ist zwar in vielen Teilen nur eine Art Posten als Zeremonienmeister, aber immerhin hat das Land die Agenda für alle EU-Treffen, Gipfel und Ministerräte in der Hand. So kann es entscheiden, welche Themen vorrangig, welche eher nachlässig und welche wohl gar nicht behandelt werden.
Ein günstiger Zeitpunkt
Doch Themen stehen in diesen und wohl noch sehr vielen kommenden Wochen in Brüssel nicht im Vordergrund, wie viele EU-Entscheidungsträger anmerken. Das Parlament ist gerade neu gewählt worden und muss sich erst einmal formieren, was die Kommission anbelangt, so wird es mindestens bis November dauern, bis die zusammengestellt und vom Parlament überprüft und abgesegnet ist - und das alles unter der Voraussetzung, dass nicht plötzlich doch Streit unter den EU-Mitgliedsländern, oder ein offener Machtkampf im Parlament ausbricht. "Hätte also zu keinem besseren Zeitpunkt kommen können, die ungarische Ratspräsidentschaft", kommentiert ein hochrangiger Vertreter der EU-Kommission gegenüber dem KURIER die Ausgangslage, "es gibt einiges an Gesetzen aufzuarbeiten, aber viel Neues kommt da sicher nicht auf den Tisch."
Eine politische Präsidentschaft
Arbeit an neuen Gesetzesvorschlägen wird also die ungarische Ratspräsidentschaft nicht prägen. Es wird aber, wie eine Orban-Kritikerin anmerkt, "kein Vorsitz, der Gesetze macht, sondern einer, der Politik macht." Das aber hört sich für viele Vertretern der EU nicht gut an. Schließlich ist ja Orban gerade, wenn es um politische Grundsatzfragen geht, immer der, der sich in der EU querlegt. Ob es um mehr Militärhilfe für die Ukraine geht, oder um härtere Sanktionen gegen Moskau: Ständig war es das Veto von Viktor Orban und damit Ungarns, das schnelle Entscheidungen blockierte. Budapest ließ sich dann sein Ja mit Zugeständnissen, oder sogar mit viel Geld abkaufen. Im vergangenen Dezember etwa, ging das Ja zu Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine erst über die Bühne, als - ganz zufällig - zehn Milliarden Euro an lange eingefrorenen Fördergeldern für Ungarn von der EU-Kommission freigegeben wurden.
"Ehrlicher Vermittler", oder eigennütziger Verhandler?
Von solchem eigennützigen Verhalten wollen die diplomatischen Vertreter Ungarns hier in Brüssel derzeit gar nichts wissen. Man werde eine "ehrlicher Vermittler" sein, so lautet das offizielle Versprechen. Doch ganz so harmlos sieht etwa EU-Parlamentarier Daniel Freund Ungarns Ratspräsidentschaft nicht. Der Grüne, der gegen Orban mit allen gesetzlichen Mitteln, die das EU-Parlament hat, gekämpft hat, erinnert an die außergewöhnlichen Umstände: "Zum ersten Mal hat ein Land den EU-Vorsitz, gegen das ein Verfahren wegen Verletzung der EU-Verträge läuft und bei dem die EU Milliarden an Fördergeldern eingefroren hat, wegen schweren Verstößen gegen die Regeln für die Vergabe dieser Gelder."
Wird also Orban auch während seiner Präsidentschaft seine geliebte Veto-Karte ziehen? Ungarns Vertreter wollen sich da nicht festlegen und verstecken sich hinter diplomatischen Floskeln. Kritische Beobachter aus Ungarn selbst, erwarten aber wenig große Störaktionen Ungarns im EU-Alltag. "Der Plan ist, eher wenig Wellen zu schlagen", meint etwa der Botschafter der Stadt Budapest bei der EU, Benedek Javor, "man wird die Sache eher routinemäßig abwickeln." Sicher aber, das gesteht der Orban-Kritiker offen ein, kann man sich bei Ungarns Premier nie sein: "Er gibt einfach am liebsten den Kämpfer und Rebellen, in dieser Rolle fühlt er sich wohl." Worauf sich ein Ratspräsident Orban mit dem Kämpfer Orban zuletzt einigt, das wird sich wohl erst während der Ratspräsidentschaft zeigen. Mit Geld aber, das macht Javor klar, kann man Ungarns Premier immer beeinflussen: "Das ist nämlich das einzige, was ihn an der EU wirklich interessiert."
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