EU-Wahl in Ungarn: Orbán-Partei zwar vorne, muss aber Federn lassen
"In einer schweren Schlacht haben wir wichtige Siege errungen", versuchte der ungarische Premier Viktor Orbán noch am sonntäglichen Wahlabend die Verluste seiner Fidesz-Partei bei den Europa- und Kommunalwahlen schönzureden. Denn die nicht einmal 45 Prozent stellen den niedrigsten Wert bei EU-Wahlen überhaupt dar. Der Politologe Gábor Török hatte bereits vor dem Urnengang gemeint: Alles unter 45 Prozent gelte als Eklat, ein Erfolg liege jenseits der 48 Prozent.
Doch diesmal war die Konkurrenz zu stark: Der Shootingstar der Opposition, der 43-jährige Péter Magyar und seine Gruppierung mit dem Namen TISZA schnellte aus dem Stand auf 30 Prozent hoch. Dabei betrat der ehemalige Ehemann der früheren Justizministerin Judit Varga erst vor wenigen Monaten die politische Bühne in Ungarn.
Im Februar prangerte er die Begnadigung des Helfershelfers eines Pädophilen durch die später zurückgetretene Staatspräsidentin und Fidesz-Politikerin Katalin Novák an. In der Folge wetterte Magyar gegen Korruption und sowie Freunderlwirtschaft. Seine Tour durch Ungarn führte ihn in 200 Städte, wo er stets regen Zulauf erfuhr.
Mit insgesamt sieben Mandataren zieht TISZA nun ins Europaparlament ein - und will Teil der Europäischen Volkspartei werden. In dieser hatte zuvor Orbán mit seiner Fidesz eine Heimat, zog aber nach unüberbrückbaren Differenz wegen seines autoritären Kurs die Notbremse und trat aus der konservativen Parteienfamilie aus, um einen Rausschmiss zuvorzukommen.
Seither sind die Fidesz-Mandatare, deren Zahl sich nun von zwölf auf elf reduziert hat, fraktionslos. Jetzt steht Magyar ante portas, und EVP-Chef Manfred Weber hat bereits sein Wohlwollen hinsichtlich der Aufnahme der neuen ungarischen Kraft signalisiert. Und bei den kommenden Parlamentswahlen in Ungarn in zwei Jahren will der Magyar Orbán auch aus dem Amt des Premierministers verdrängen.
Was die Kommunalwahlen anbelangt, konnte die Opposition die 2019 in den Großstädten errungen Bürgermeisterämter weit gehend halten. Besonders knapp wurde es in der ungarischen Hauptstadt Budapest. Dort landete Amtsinhaber Gergely Karacsony, ein linksgrüner Politiker, nach vollständiger Auszählung nur um 423 Stimmern vor Herausforderer David Vitezy von der grünen Splitterpartei LMP, der von Orbáns Fidesz unterstützt wurde.
Auch in der westungarischen Stadt Szombathely, konnte sich der Fidesz-Kandidat nicht durchsetzen - trotz eines Brachial-Flyers: Dort machte man Stimmung mit dem Fotoshop-Bild eines kriegsverwüsteten Wiener Getreidemarktes. Die Botschaft: Sollte die Opposition mit Andras Nemeny erneut den Bürgermeister stellen, würden das Land und die Stadt in einen Krieg gezogen werden. Das Kalkül ging nicht auf, Nemeny bleibt Stadtchef.
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