Als sich Anne Hidalgo über eine kleine Treppe in die Seine gleiten ließ, jubelte das Publikum auf der nächstgelegenen Brücke. „Das Wasser ist super“, rief die Pariser Bürgermeisterin in ihrem schwarzen Neopren-Anzug und kraulte ein paar Meter, um zu zeigen, dass sie auch den Kopf untertauchte. Tony Estanguet, Präsident des Organisationskomitees der Olympischen Spiele in Paris, und Marc Guillaume, der Präfekt der Hauptstadtregion Île-de-France, folgten ihr nach.
Zehn Tage vor Beginn der Großveranstaltung hat es am Mittwoch doch noch geklappt mit dem symbolischen Bad Hidalgos in der Seine, das seit Wochen versprochen war. Das mehrmalige Verschieben ließ die Zweifel daran noch wachsen, ob das Flusswasser letztlich sauber genug sein würde, damit nicht nur die Stadt-Prominenz, sondern auch die Athletinnen und Athleten ohne Risiken eintauchen können.
Vor wenigen Tagen hatte bereits die französische Sportministerin, die frühere Profi-Tennisspielerin Amélie Oudéa-Castéra, begleitet vom Para-Triathleten Alexis Hanquinquant, ein medienwirksames Bad im Hauptstadtfluss genommen. Dies war bis vor kurzem für viele Bewohner eine unappetitliche Vorstellung.
Lange viel Müll in der Seine
Vor Hidalgos erstem, dann abgesagten Bade-Termin gab es sogar den Aufruf in den öffentlichen Netzwerken, den Fluss absichtlich mit Fäkalien zu befüllen. Das sagte etwas über die Unbeliebtheit der Bürgermeisterin aus - und das Bild, das sich viele von der Sauberkeit der Seine machen, in der lange der Müll dümpelte.
Tatsächlich hatten sich die von der Stadt Ende letzter Woche vorgelegten Daten allerdings deutlich verbessert. Demnach lagen nun mehr als 80 Prozent der Wasseranalysen unter den vorgegebenen Grenzwerten. Zuvor hatte eine geplante Übungseinheit der französischen Mannschaft im Freiwasserschwimmen aufgrund der langanhaltenden Regenfälle im Juni abgesagt werden müssen. „Wir machen uns keine Sorgen um die Veranstaltung der Wettkämpfe“, versicherte Pierre Rabadan, im Rathaus für die Olympischen Spiele zuständig.
Plus bei der Bewerbung
Damit könnte eine der letzten großen Unsicherheiten aufgelöst sein: Die bange Frage nach regelkonformen Wasser-Werten, um Olympische Wettkämpfe in der Seine abzuhalten. Es war ein Plus bei der Bewerbung von Paris, dass der Fluss, der die Stadt durchzieht und an dessen Ufer etliche Sehenswürdigkeiten stehen, eine zentrale Rolle erhalten sollte.
Bereits bei der Eröffnungszeremonie am 26. Juli steht er im Zentrum der Aufmerksamkeit. Dann werden 160 Boote insgesamt 10.500 Athletinnen und Athleten sechs Kilometer lang über die Seine von der Brücke Pont d’Austerlitz im Osten bis zur Brücke Pont d’Iéna am Eiffelturm transportieren, wo gegen Mitternacht das große Finale stattfindet.
Erstmals in der Geschichte der Spiele wird das Spektakel mitten in der Stadt ausgerichtet - es sei denn, es gibt in letzter Minute eine konkrete Sicherheitsgefahr. Dann könnte die Feier verkleinert oder in ein geschlossenes Stadion ausgelagert werden. Doch keiner der Organisatoren will Plan B und C, denn durch die Ausrichtung der Zeremonie auf der Seine wird ein Schlaglicht auf ganz Paris geworfen.
Darüber hinaus werden drei Wettbewerbe in dem Fluss organisiert: der Triathlon am 30. und 31. Juli und am 5. August, die Freiwasser-Wettbewerbe am 8. und 9. August sowie am 1. und 2. September der Para-Triathlon im Rahmen der Paralympischen Spiele, die von 28. August bis 10. September stattfinden.
Reinigung hat 1,4 Milliarden Euro gekostet
Um dies möglich zu machen, haben der französische Staat und die anliegenden Gebietskörperschaften inklusive Paris seit 2018 insgesamt 1,4 Milliarden Euro für die Reinigung der Seine wie auch ihres Zuflusses Marne aufgewendet. Ein riesiges Rückhaltebecken soll künftig bei starken Regenfällen Wasser aufnehmen, das die Kanalisation nicht fassen kann.
Kläranlagen wurden modernisiert und Gemeinden dazu angehalten, dafür zu sorgen, dass das Abwasser von tausenden Wohnungen nicht mehr in die Seine geleitet wurde, auch jenes der Hausboote. Seit einem Jahrhundert war es verboten, sich in Paris in der Seine zu baden. Dabei hatte bereits 1988 der damalige Bürgermeister und spätere französische Präsident Jacques Chirac vor laufender Kamera versprochen, er werde „in drei Jahren vor Zeugen“ ins Wasser springen. Eingelöst hat er das nie.
Umso mehr hatten die Spiele beschleunigende Wirkung, weil sie den Staat und die betroffenen Städte unter Druck setzten, um endlich genug politischen Willen zu zeigen und Geld in die Hand zu nehmen, die Wasserqualität dauerhaft zu verbessern. Bademöglichkeiten in der Seine und in der Marne sollen ab Sommer 2025 zum Erbe dieser Olympischen Spiele gehören.
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