90 Prozent unbemerkt
Doch Kövesi reitet ihre in einem öffentlichen Brief formulierte Attacke nicht gegen ihre eigene Behörde, sondern gegen die alteingesessene EU-Institution zur Bekämpfung von Missbrauch von EU-Geldern: OLAF. Die gibt es inzwischen seit 25 Jahren und hat in dieser Zeit regelmäßig mit der Aufdeckung spektakulärer Fälle auf sich aufmerksam gemacht. Kövesi aber nennt OLAF „einen Hund, der weder bellen noch beißen kann“ und führt nicht nur die fünf Milliarden, sondern eine weitere schockierende Zahl an: 90 Prozent der Betrugsfälle würden von der EU-Kommission einfach nicht wahrgenommen.
➤ Mehr lesen Sie hier: EU-Budgetkommissar Hahn über den Streit um den EU-Haushalt
Auch Daniel Freund, der für die deutschen Grünen im EU-Parlament das Budget überwacht, sieht bei OLAF ein Problem. Etwa 50 Prozent der Betrugsfälle, an denen OLAF dran sei, seien am Ende „für die Katz“, meint er gegenüber dem KURIER. Auch Freund spricht vom „Nichtfunktionieren“ der Behörde, macht dafür aber weniger deren Beamte verantwortlich, sondern die Justiz in den EU-Mitgliedsländern.
"Nicht ernst genommen"
Die würden die OLAF-Ermittlungen „nicht ernst nehmen“. Die EU-Behörde aber ist auf die Zusammenarbeit mit den nationalen Staatsanwaltschaften angewiesen. Für die strafrechtliche Verfolgung sind die zuständig. OLAF kann ihnen nur Ermittlungen aushändigen.
Genau dort, sieht auch Freund, die Schwäche des Systems. Sobald OLAF auf den Fall aufmerksam mache, würden auch im betroffenen Land die Alarmglocken schrillen, oft leider auch bei den Tätern selbst. Bevor die Ermittlungen tatsächlich losgingen, seien die Beweise verräumt.
„Milliarden gesichert“
EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, der ja auch für die korrekte Verwendung von EU-Geldern verantwortlich ist, kann gegenüber dem KURIER die Attacke gegen Olaf nicht nachvollziehen. Die Behörde habe nachweislich über Jahre viele Betrugsfälle aufgedeckt und dabei dem Europäischen Steuerzahler wörtlich Milliarden gesichert. Beim noch jungen EPPO dagegen werde sich erst zeigen, ob missbräuchliche verwendete Gelder tatsächlich an die EU zurückfließen werden. Einen Konkurrenzkampf zwischen den beiden Behörden dürfe es nicht geben, die Aufgaben seien eigentlich klar getrennt.
"Besser als ihr Ruf"
EU-Parlamentarier Freund sieht das Problem grundsätzlicher. Die EU würde – anders als etwa die USA – relativ wenig Mittel aufbringen, um Missbrauch ihrer Gelder zu verhindern: „Das ist wie ein Naturgesetz, wenn die Kontrolle zu schwach ist, gibt es mehr Betrug.“ Die EU brauche – egal welche Behörde – mehr Personal, mehr Mittel und mehr Durchgriffsrecht, „aber die EU ist trotz allem weit besser als ihr Ruf. Bei den meisten Geldern wird sehr ordentlich nachgeprüft.“
Kommentare