Wieder hat es eine Studie diese Woche bestätigt: Die Österreicher zählen zu den größten EU-Muffeln Europas. Dabei profitiere Österreich überproportional vom Binnenmarkt, findet EU-Kommissar Johannes Hahn. Er vertritt das mächtige Finanzressort. Wer „in der gefühlten Mitte Europas“ liege und von acht Nachbarländern umgeben sei, sollte besonders hohes Interesse an einer funktionierenden Zusammenarbeit haben. Und er zitierte einen belgischen Ex-Außenminister: „Alle europäischen Staaten sind klein, nur manche wissen es nicht.“ Hahn trat am Freitag bei der vom Verband der Auslandspresse mitbegründeten Veranstaltung „Medienmittelpunkt Ausseerland“ auf.
Vielen sei zu wenig bewusst, dass sich die europäischen Länder – aber eben nur gemeinsam – auf Augenhöhe mit China und den USA befinden. Jedoch verstärke sich gerade der globale Wettbewerb auch durch das Erstarken von Schwellenländern, so Hahn. Sein Befund: „Das 21. Jahrhundert wird gekennzeichnet sein vom Wettstreit des chinesischen Modells – Diktatur plus Turbokapitalismus – mit dem westlichen Modell: freie Demokratie plus (öko-)soziale Marktwirtschaft. In der Welt sei Letzteres allerdings eine Minderheitsposition.
Afrika als Partner
Hahn plädiert auch dafür, Afrika „als Partner zu begreifen“. „Wir müssen uns des guten und des kritischen Potenzials dieses Kontinents bewusst sein.“ Mit Zweiterem meint er die Flüchtlingsströme aus dem explosiv wachsenden Kontinent. Die wenigsten würden ihre Heimat freiwillig verlassen, daher müssten Maßnahmen vor Ort ansetzen und nicht erst bei der Hilfe in Flüchtlingslagern. Das Durchschnittsalter in Afrika betrage übrigens 21 Jahre, das der Europäer 43.
Nur alle EU-Länder gebündelt könnten in Afrika etwas erreichen – und auch den Migrationsdruck mildern. Viele Länder (auch innerhalb Europas) würden unter Braindrain leiden. „In New York gibt es mehr nigerianische Ärzte, als in ganz Nigeria.“ Reiche Länder saugen intellektuelles Potenzial ab, was die Schieflage verstärke. Diesem unerwünschten demografischen Wandel wolle die EU gezielter gegensteuern.
Balkanländer in die EU
„Logisch“ findet der Brüsseler Politiker auch, dass die sechs in der EU noch fehlenden Westbalkanländer Mitglied werden. Das Jahr 1989 (Mauerfall) werde erst vollendet sein, wenn diese Länder Teil der Union seien. Natürlich sei es noch ein weiter Weg dorthin. Österreich habe diesen Ländern gegenüber eine besondere Verpflichtung, daher findet Hahn gut, dass die heimische Außenpolitik hier einen Schwerpunkt setzt.
Noch heikler ist ein europäisches Berufsheer, das der Kommissar befürwortet. „Auch das ist Teil der Souveränität.“ Die US-Präsidentschaft Donald Trumps sei ein Weckruf für ganz Europa gewesen, „sich auf eigene Füße zu stellen“.
Lob für den Grünen Pass
Selbst der Grüne Pass sei „eine tolle Leistung der EU“. Weil man es geschafft habe, es bei den Mitgliedsländern als Gesetz und nicht nur als Empfehlung durchzubringen.
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