Schweden gesellt sich damit in eine Reihe mit Island, Finnland und Dänemark: In all diesen Ländern führt eine Frau die Regierung an (nur Norwegen tanzt seit Kurzem aus der Reihe: Ministerpräsidentin Erna Solberg wurde nach acht Jahren abgewählt). Was läuft in Skandinavien so anders als im Rest der Welt?
Früh übt sich
Erstens: Alle Länder haben Frauen im Vergleich relativ früh politische Rechte verliehen. Finnland führte 1906 als erstes europäisches Land das Frauenstimmrecht ein. Norwegen folgte 1913, Dänemark und Island 1915, Schweden 1921 – ein Jahr nach Österreich (1920).
Zweitens: Alle Länder bauten früh ihr Sozialsystem auf, stellten das Wohl ihrer Bürger – und ihrer Bürgerinnen – in den Mittelpunkt. "Die klassische Frauenaufgabe der Kinderbetreuung ist in Skandinavien viel besser geregelt – was Eltern nicht übernehmen können, übernimmt der Staat", erklärt Verena Kettner, Doktorandin der Politikwissenschaft im Bereich Governance und Geschlecht an der Uni Wien.
Und drittens: "Alle Länder sind viel weiter mit dem Aufbrechen traditioneller Rollenbilder als wir. Frauen trauen sich selbst mehr zu – und Frauen wird auch mehr zugetraut."
Das zeigt sich auch an der Vergabe der Ministerien: Der Interparlamentarischen Union zufolge bekleiden Frauen in den meisten Ländern ein Amt im sozialen Bereich – passend zu den typisch "weiblichen" Stärken wie Empathie und Fürsorglichkeit, die Frauen häufig unterstellt werden. Am öftesten stehen Frauen Sozialministerien vor, gefolgt von Kinder- und Familienministerien. "Harte", als einflussreicher und prestigeträchtiger gesehene Ministerien werden meist von Männern bekleidet.
Auch das ist in Skandinavien anders: Andersson war seit 2014 schwedische Finanzministerin, das Außenministerium wurde zuletzt vor sieben Jahren von einem Mann bekleidet. Islands Justizministerium stehen seit Jänner 2017 nur Frauen vor. Finnlands Kabinett hat 19 Mitglieder, zwölf davon sind Frauen. Dem Finanz-, Justiz- und Innenministerium steht jeweils eine Frau vor.
Quotenlösung
"Gut so", findet Kettner – wenn die Doktorandin auch zu bedenken gibt, dass dadurch gleichzeitig eine Abwertung typisch "weiblicher" Ministerien stattfände: "Man muss zeitgleich versuchen, männliche Rollenbilder aufzubrechen und soziale Ministerien Männern schmackhaft zu machen. Nur so erreicht man richtige Gleichstellung."
Apropos Gleichstellung: Ohne entsprechende Maßnahmen braucht es laut Global Gender Gap Report 2021 noch 135,6 Jahre, bis man von echter Gleichsetzung der Geschlechter – und auch nur im binären Verständnis – in der Politik sprechen könne.
Die umstrittene Frauenquote gilt auch hier als Lösung, wenn das historisch gewachsene Verständnis für Frauen an der politischen Spitze fehlt. "Auch wenn eine Quote Identitäten aufs Geschlecht reduziert, ist sie derzeit das am schnellsten und am leichtesten umzusetzende Mittel", erklärt Kettner. Die Quote habe einen Vorbild-Effekt: Je mehr Frauen in Machtpositionen seien, desto mehr fühlten sich andere Frauen motiviert, nachzuziehen.
Und die Politik weiblich zu machen.
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