In der Krise scharen sich die Menschen um ihren Anführer, sagt man, was offenbar auf die Niederlande zutrifft. „Rutte ist eine sichere Wahl“, nennt der 24-jährige Student Xavier van der Grinten gegenüber dem KURIER den Hauptgrund für die Beliebtheit des Premiers – politische Beobachter sehen das genauso. „Die Menschen wollen besonders wegen Corona Stabilität“, so Xavier. „Sie wissen, was sie von Rutte erwarten können.“
Ruhige Rechte
Abseits der Pandemie finden sich in der politischen Debatte kaum Themen. Das Virus habe dem Wahlkampf sämtlichen Sauerstoff entzogen, schrieb die Nachrichtenagentur AFP. Dominierten bei den Wahlen 2017 noch Einwanderung, Integration und Islam – und damit der wasserstoffblonde Rechtsaußen Geert Wilders–, geht es heuer fast ausschließlich um den Kampf gegen die Pandemie.
„Wegen Corona erscheinen die Wahlen weniger wichtig als sonst“, meint Xavier, das Interesse an Politik sei deutlich gesunken.
Selbst Wilders hat eingesehen, dass seine sonst so erfolgreiche Anti-Ausländer-Rhetorik mit dem Virus nicht konkurrieren kann; er zeigte sich im Wahlkampf ungewohnt ruhig. Laut Umfragen bleiben seiner Partei für die Freiheit (PVV) die zahlreichen Wähler von 2017 ohnehin erhalten, die PVV dürfte wieder rund 20 Mandate ergattern.
Das ebenfalls ultra-rechte Forum für Demokratie (FvD), das bei den Provinzwahlen 2019 stärkste Kraft geworden war, könnte seine Mandate zwar von zwei auf vier verdoppeln, allerdings hat die offene Ablehnung der Corona-Maßnahmen durch Parteichef Thierry Baudet wohl einige potenzielle Wähler vergrault.
Insgesamt treten bei den Wahlen 37 Parteien an – ein Rekord. Chancen auf einen Einzug ins Parlament haben allerdings nur an die zehn. Die Parteienlandschaft im Land ist sehr fragmentiert, Rutte wird auch künftig Koalitionspartner brauchen. Derzeit regiert er mit drei Parteien, sein Kabinett ist dabei nur kommissarisch im Amt.
Lockerungen pünktlich zur Wahl
Ende Jänner hatte die Regierung nach einem Skandal um Kinderbeihilfen ihren Rücktritt eingereicht, war aber mit der Weiterführung der Amtsgeschäfte beauftragt worden. 20.000 Menschen waren zu unrecht beschuldigt worden, durch Betrug zu hohe Beihilfen bezogen zu haben, viele davon gerieten durch die geforderten Rückzahlungen in finanzielle Not.
Zugute kommen dem Premier auch die jüngsten Lockerungen der Coronamaßnahmen. Zwar gilt die Ausgangssperre zwischen 21.00 und 4.30 Uhr immer noch, auch die Gastronomie ist bis auf Take-Away weiter geschlossen. Weiterführende Schulen haben aber wieder offen, Geschäfte dürfen nach Voranmeldung zwei Kunden pro Stockwerk empfangen.
Debatten über wirtschaftliche und gesundheitliche Folgeschäden durch den Lockdown gibt es wie anderswo in Europa, auch Proteste finden noch statt. Am Sonntag löste die Polizei in Den Haag eine Kundgebung mit Tausenden Teilnehmern auf, Wasserwerfer und Schlagstöcke kamen zum Einsatz.
Die Mehrheit der Menschen hat sich nach Xaviers Ansicht aber mit den Maßnahmen arrangiert – und hofft auf eine schnelle Impfung.
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