NATO-Soldaten in der Ukraine? Was Macrons Tabu-Bruch bedeutet

NATO-Soldaten in der Ukraine? Was Macrons Tabu-Bruch bedeutet
Der französische Präsident ist für seine großen Ankündigungen und spärlichen Ausführungen berüchtigt.

„Es gibt heute keinen Konsens darüber, offiziell Bodentruppen zu entsenden“, sagte der französische Präsident Emmanuel Macron in der Nacht auf Dienstag, nachdem sein Ukraine-Sondergipfel beendet war.

„Aber in der Dynamik darf nichts ausgeschlossen werden. Wir werden alles tun, was nötig ist, damit Russland diesen Krieg nicht gewinnen kann“, fuhr er fort.

Dass er einen Einsatz von Soldaten in der Ukraine nicht ausschließt, sorgt in einigen Ländern für Panik, in anderen für Wohlwollen – definitiv ist es eine rhetorische Kehrtwende des französischen Präsidenten, dessen Land bisher nicht durch große Lieferungen an die Ukraine aufgefallen war. Und ein Tabubruch. Gleichzeitig ist Macron für große Ankündigungen und spärliche Ausführungen berüchtigt. Doch welche Auswirkungen könnten seine Pläne haben? Der KURIER beantwortet die wichtigsten Fragen.

Sind bereits Soldaten aus NATO-Staaten in der Ukraine?

Das ist stark anzunehmen. Aus den „Discord-Leaks“ im vergangenen Jahr geht hervor, dass mit Stand März 2023 50 Spezialeinsatzkräfte des Vereinigten Königreichs, 17 aus Lettland, 15 aus Frankreich, 14 aus den USA sowie einer aus den Niederlanden im Einsatz seien. 

Was genau ihre Aufgaben sind, beziehungsweise waren, ist nicht bekannt. Es könnte sich etwa um den Schutz von Botschaftern und Botschaftsgebäuden handeln. Andererseits ist es nicht auszuschließen, dass NATO-Soldaten ohne Uniform und Hoheitsabzeichen als private Kontraktoren die ukrainischen Streitkräfte an Waffensystemen wie dem Patriot ausbilden. Ebenso ist nicht auszuschließen, dass sich unter den freiwilligen Kämpfern aufseiten der Ukraine Soldaten befinden. Erst am Sonntag hatte der tschechische Präsident Petr Pavel zwanzig Tschechen die Teilnahme am Kampf für die Ukraine erlaubt. Aufseiten Russlands kämpfen übrigens ebenfalls Vertreter einiger Nationen, beispielsweise 15.000 Söldner aus Nepal.

Gibt es dazu bereits konkrete Pläne zu einem Einsatz?

Nein. Und auch wenn es dazu käme, ist nach derzeitigem Stand auszuschließen, dass NATO-Verbände mit Hoheitsabzeichen gegen die russischen Streitkräfte kämpfen. Macron setzte auf dem Gipfel auch nach: „Wir wollen nicht mit dem russischen Volk in einen Krieg treten“.

Wie reagieren Macrons Verbündete?

Selbst Polen, das sich durch Russland ganz anders bedroht fühlt als westeuropäische Staaten, beabsichtigt keine Entsendung eigener Soldaten: „Wir haben hier einen gemeinsamen Standpunkt", sagte Premier Donald Tusk am Rande des Visegrad-Treffens und vertrat die Ansicht, dass, wenn alle EU-Länder der Ukraine so helfen würden wie Polen und Tschechien, „dann müsste man vielleicht nicht über andere Formen der Unterstützung für die Ukraine diskutieren". 

Aus Deutschland, dessen Kanzler Olaf Scholz derzeit nicht gut auf Macron zu sprechen sein dürfte (auf dem Gipfel am Montag war es zu einigen Sticheleien Macrons gegen Scholz gekommen), kommt vor allem Kritik – ebenso aus Österreich: „Es ist schon erstaunlich, wenn man mit einem Thema, das keinen Konsens hat, rausgeht und damit eine Debatte erzeugt, die wir nicht wirklich brauchen“, sagte Außenminister Alexander Schallenberg und vertritt damit die Linie von Bundeskanzler Karl Nehammer: „Je mehr NATO-Staaten in den Konflikt involviert werden, umso unsicherer wird die Lage für uns alle“, sagte er im Vorfeld des Ukraine-Gipfels. Jede Eskalation würde er mit Sorge beobachten. Auch NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg versicherte, dass die NATO keine derartigen Pläne habe.

Wie reagiert Russland darauf?

Sollten NATO-Soldaten in die Ukraine entsandt werden, gibt es laut Moskau nur eine Variante: „In diesem Fall müssen wir nicht über die Wahrscheinlichkeit, sondern über die Unvermeidbarkeit eines Konflikts sprechen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.

Was geschah sonst noch auf dem Gipfel?

Rund 15 Länder signalisierten laut Angaben des tschechischen Premiers Petr Fiala Interesse an einer Munitions-Initiative seines Landes. Tschechien führt die Initiative an, um Geld für einen schnellen Kauf von Artilleriemunition aus Drittländern für die Ukraine zu sammeln. Derzeit soll es um 800.000 Granaten gehen. Die Niederlande wollen sich mit 100 Millionen Euro an der Initiative beteiligen, Kanada mit 22 Millionen. Macron gab seinen Widerstand diesbezüglich auf.

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