Nach Tod von Hamas-Anführer: Hisbollah wird "bis zum Ende kämpfen“
Die Tötung eines Anführers der islamistischen Hamas im Libanon hat zu einer weiteren gefährlichen Eskalation des Konflikts mit Israel geführt. Während Israels Militär Berichte über eine gezielte Tötung von Saleh al-Arouri nicht kommentierte, kündigte der Chef der Hisbollah-Miliz, Hassan Nasrallah, am Mittwochabend im Libanon Vergeltung an. Ein US-Verteidigungsbeamter, der anonym bleiben wollte, erklärte gegenüber AFP, Arouri sei einem Angriff Israels zum Opfer gefallen.
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"Der Angriff war ein israelischer Angriff", sagte der namentlich nicht genannte US-Verteidigungsbeamte demnach der französischen Nachrichtenagentur Agence France Presse. Nasrallah sprach seinerseits von einem "eklatanten israelischen Angriff". Die Tötung sei "ein großes, gefährliches Verbrechen, zu dem wir nicht schweigen können". Ein "Krieg mit uns wird sehr kostspielig sein", jeder, der Krieg gegen den Libanon führe, werde es "bereuen", da die Hisbollah "bis zum Ende kämpfen" werde, sagte er. Wenn Israel gegen den Libanon Krieg führe, "wird es keine Obergrenzen für den Kampf der Hisbollah geben".
Israelische Armee "für jedes Szenario" bereit
Die israelische Armee erklärte zuvor, sich "für jedes Szenario" bereit zu halten. Mossad-Chef David Barnea wies einem Bericht zufolge auf eine Beteiligung Israels hin. Jede arabische Mutter werde wissen, dass, wenn ihr Sohn an dem Massaker vom 7. Oktober beteiligt gewesen sei, sein Blut an seinem eigenen Kopf sein werde, zitierten israelische Zeitungen Barneas Worte auf der Beerdigung des früheren Mossad-Chefs Zvi Zamir am Mittwoch. Die Jerusalem Post sah darin einen "deutlichen Hinweis" auf eine israelische Beteiligung an einer gezielten Tötung des Vize-Leiters des Politbüros der Hamas am Dienstagabend in Beirut. Barnea erwähnte Arouri demnach aber nicht namentlich.
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Die Regierung im Libanon steht einem Medienbericht zufolge mit der Hisbollah im Kontakt, um sie von einer möglichen Gegenreaktion abzuhalten. Der geschäftsführende Außenminister, Abdallah Bou Habib, sagte dem britischen Radiosender BBC 4 am Dienstagabend, dass seine Regierung mit der Hisbollah spreche, um "sie davon zu überzeugen, dass sie nicht selbst reagieren sollte." Es wird befürchtet, dass die Tötung von al-Arouri den Konflikt nun eskalieren könnte.
Beschuss an israelisch-libanesischer Grenze
Am Mittwoch gab es wieder Beschuss an der israelisch-libanesischen Grenze. Israels Armee registrierte eigenen Angaben nach am Mittwoch mehrere Raketenstarts aus dem Nachbarland, die israelischen Zielen gegolten hätten. Das Militär griff demnach als Reaktion die Orte des Beschusses an. Soldaten hätten zudem Terroristen im Libanon sowie "die terroristische Infrastruktur der Hisbollah" dort attackiert. Die Schiitenmiliz teilte mit, mindestens fünf Ziele in Israel angegriffen zu haben. Die Hisbollah meldete auch zwei weitere getötete Mitglieder. Sie teilte aber nicht mit, wann und wo genau diese ums Leben gekommen sind.
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Israels Armee setzte am Mittwoch ihre Offensive gegen die Hamas im Gazastreifen fort. Armeesprecher Daniel Hagari sagte nach der Tötung von al-Arouri, Israel sei "in hohem Maße auf jedes Szenario" vorbereitet.
Die UNO-Truppe im Libanon, UNIFIL, forderte von Israel und der Hisbollah Zurückhaltung, um eine weitere Eskalation zu verhindern. Beide Seiten müssten die Waffen an der sogenannten Blauen Linie im Grenzgebiet schweigen lassen, mahnt UNIFIL-Sprecherin Kandice Ardiel. Eine Eskalation hätte verheerende Folgen für die Menschen auf beiden Seiten der Grenze. 175 österreichische Soldaten sind gerade im Einsatz bei UNIFIL. Sie sind von den aktuellen Ereignissen nicht betroffen, erklärte ein Bundesheer-Sprecher auf APA-Anfrage.
Bisher ranghöchster getöteter Hamas-Anführer
Der Vize-Leiter des Politbüros der Hamas ist der bisher ranghöchste Hamas-Anführer, der während des Gaza-Krieges gezielt getötet wurde. Insgesamt starben bei dem Angriff laut der mit der Hisbollah verbündeten Hamas sieben Menschen, unter ihnen auch zwei Anführer des bewaffneten Arms der Hamas. Die Terrororganisation gab umgehend Israel die Schuld.
Wegen eines Generalstreiks blieb es im Westjordanland am Mittwoch vorerst relativ ruhig. Schulen, Universitäten, Banken, Restaurants und Regierungsbüros waren geschlossen. In Ramallah demonstrierten mehrere hundert Menschen friedlich, wie Augenzeugen und palästinensischen Medien berichten. Die Mutter und die Schwester des Hamas-Führers sagten dem in Katar ansässigen TV-Sender Al-Jazeera, sie hätten dessen Tötung schon seit langer Zeit erwartet.
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Bei einer Razzia im Flüchtlingslager Nour Shams in Tulkarm im Nordwesten des Westjordanlands nahm die Armee eigenen Angaben sechs gesuchte Palästinenser fest und befragte Dutzende weitere. Terroristen hätten dabei Sprengsätze auf die Soldaten geschleudert, hieß es weiter. Israels Armee reagierte eigenen Angaben nach mit einem Drohnenangriff. In Kalkia hätten Soldaten vier gesuchte Verdächtige festgenommen. Dort sollen palästinensische Angaben zufolge drei Menschen durch Schüsse verletzt worden sein.
"Die Libanesen wollen nicht hineingezogen werden"
Die nächsten 24 Stunden würden zeigen, ob die Hisbollah reagieren wird oder nicht, so Bou Habib. "Wir sind sehr besorgt, die Libanesen wollen nicht hineingezogen werden, selbst die Hisbollah möchte nicht in einen regionalen Krieg hineingezogen werden." Er forderte die westlichen Staaten auf, "Druck auf Israel auszuüben, damit es all seine Gewalt und alle seine Aktionen einstellt, nicht nur im Libanon, nicht nur in Beirut, sondern auch in Gaza".
Die Regierung im Libanon ist nur eingeschränkt handlungsfähig. Zurzeit wird das Land von Ministerpräsident Najib Mikati geschäftsführend geführt. Seit über einem Jahr scheitert die Wahl eines Präsidenten immer wieder an Machtkämpfen innerhalb der politischen Elite.
Fortschritte, um einen Geisel-Deal zu erreichen, seien nun nicht mehr möglich, meldete die israelische Zeitung "Haaretz" unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Die Gespräche konzentrierten sich nun darauf, eine Eskalation zwischen Israel und dem Libanon zu verhindern, meldete die israelische Zeitung am Dienstagabend unter Berufung auf arabische Diplomatenkreise. Das "Attentat" habe die Situation verändert.
Konfrontationen zwischen Israels Armee und Hisbollah
Seit Beginn des Gaza-Kriegs nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober kommt es immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israels Armee und der Hisbollah in der israelisch-libanesischen Grenzregion. Dabei gab es auf beiden Seiten Tote.
Binnen 24 Stunden sind bei israelischen Angriffen im Gazastreifen nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde 128 Palästinenser getötet worden. Rund 261 weitere Menschen seien bei insgesamt zehn Attacken verletzt worden, teilte die Behörde am Mittwoch mit. Damit seien seit Beginn des Kriegs vor fast drei Monaten insgesamt 22.313 Menschen getötet und 57.296 weitere verletzt worden, hieß es weiter. Die Zahlen lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen. Die Behörde unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und bewaffneten Mitgliedern von Terrororganisationen.
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