Nach der Wahl ist vor der Wahl: Im Juni geht es in Frankreich weiter
Nach Macrons Bestätigung als Staatschef starten alle Parteien das Rennen für die Parlamentswahl – für manche geht es um Sein oder Nichtsein.
25.04.22, 18:00
von Simone Weiler aus Paris
Die Erleichterung über Emmanuel Macrons Sieg bei der Präsidentschaftswahl währte nicht lange. Schnell griff auch in seinem eigenen Lager die Erkenntnis Platz, dass die nächsten fünf Jahre nicht einfach für den mit 58,5 Prozent im Amt bestätigten Staatschef werden. „Großer Sieg, große Herausforderungen“, titelte die konservative Zeitung Le Figaro. Er selbst hatte am Wahlabend noch eingeräumt, dass ihm bewusst sei, dass viele der 18,8 Millionen Französinnen und Franzosen, die für ihn gestimmt hatten, das nicht aus Überzeugung taten, sondern oft widerwillig, um Marine Le Pen zu verhindern.
Diese unterlag zwar klar mit 41,5 Prozent, gewann aber im Verhältnis zu 2017 insgesamt 2,7 Millionen Wähler dazu. Es war ein historisch gutes Ergebnis für die Rechtsextreme, die selbst sogar von einem „strahlenden Sieg“ sprach und hofft, gestärkt in die Parlamentswahlen im Juni zu gehen.
Zugleich enthielten sich 28 Prozent der Menschen – so viele wie seit 1969 nicht mehr. Mehr als drei Millionen gaben zudem ungültige oder leere Stimmzettel ab, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Unter ihnen waren viele Anhänger des linken Lagers und vor allem des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon.
„Neue Ära“
Macron dürfte es schwer haben, sie davon zu überzeugen, dass diese „neue Ära“ nicht einfach die Fortführung seiner ersten Amtszeit sein werde, sondern die „kollektive Erfindung einer neuen Methode“, wie er es sagte.
Zunächst plant der 44-Jährige mit einem „Paket für die Kaufkraft“ einen Anstieg der Renten, der Grundsicherung sowie der Beamtengehälter und die Erhöhung einer steuerfreien Prämie, die Unternehmen an ihre Mitarbeiter auszahlen können. Dann aber will Macron im Herbst eine Rentenreform mit der schrittweisen Hinaufsetzung des Eintrittsalters von 62 auf 65 angehen. Heftige Proteste wie 2019 drohen.
Ob er seine Projekte umsetzen kann, hängt entscheidend von den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni ab. Es ist ungewiss, ob die Präsidenten-Partei „La République en marche“ (LREM) erneut eine Mehrheit in der Nationalversammlung erhält. Sollte stattdessen eine Oppositionspartei gewinnen, würde diese den Premierminister stellen und es käme zu einer sogenannten „Kohabitation“.
Noch vor der Wahl hatte Macron angekündigt, er wolle eine „große politische Bewegung der Einheit und der Aktion“ gründen. Doch das stieß auf Widerstand unter anderem seines Ex-Premierministers Édouard Philippe, der inzwischen seine eigene Partei „Horizonte“ gegründet hat. Er will Macron zwar unterstützen, aber unabhängig bleiben.
„Die Schlacht beginnt“
Auch die konservativen Republikaner, deren Kandidatin Valérie Pécresse mit 4,8 Prozent in der ersten Wahlrunde eine historische Niederlage eingefahren hat, stehen vor der Frage, ob sie Allianzen mit LREM eingehen oder auf Distanz bleiben. „Die Schlacht der Parlamentswahlen beginnt heute“, verkündete Parteichef Christian Jacob am Sonntagabend, der sich für eigenständige Kandidaturen aussprach: Seine Partei verfüge im Gegensatz zu LREM über eine lokale Verankerung im Land.
Für die Konservativen wie auch für die Linken geht es um ihre politische Zukunft. Grüne und Sozialisten stehen vor der Entscheidung, ob sie sich an Mélenchons Partei „Unbeugsames Frankreich“ annähern oder auf eigene Kandidaturen setzen. Mélenchon wirbt dafür, der Linken eine starke Stimme zu geben: Wenn diese siegreich aus den Parlamentswahlen hervorgehen, könne er Macrons Regierungschef werden.
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