Nach Angriff auf US-Basis: Erdoğan gerät unter Beschuss

Nach Angriff auf US-Basis: Erdoğan gerät unter Beschuss
Türkische Armee soll US-Camp bombardiert haben, Berlin schränkt Waffenlieferungen ein.

Vor fünf Jahren hing das Schicksal der kurdischen Stadt Kobane am seidenen Faden. Die Kämpfer der Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) rückten unbarmherzig vor, waren drauf und dran, die Grenzstadt einzunehmen. Die Weltgemeinschaft fürchtete ein Massaker. Doch kurdische Verbände schafften es nach monatelangen Kämpfen, die Terrormiliz zu vertreiben. Jetzt, fünf Jahre später, dürfte es nur eine Frage von Wochen sein, bis die Stadt fällt.

An verschiedensten Grenzorten sind die türkischen Streitkräfte seit Mittwoch in Syrien eingedrungen, Stadt um Stadt fällt in die Hände der zweitgrößten NATO-Armee – die laut Pentagon in der Nacht auf Samstag Soldaten ihres NATO-Partners USA beschossen hat. Nur wenige Kilometer südlich von Kobane befindet sich ein Stützpunkt der internationalen Anti-IS-Koalition – und knapp daneben sollen türkische Granaten eingeschlagen sein.

Der Artilleriebeschuss habe „wenige hundert Meter“ entfernt von den US-Truppen zu einer Explosion geführt, teilte das Pentagon mit. Demnach wurden keine Soldaten getötet oder verletzt. Der Vorfall habe sich aber in einer Gegend ereignet, „von der die Türken wissen, dass dort US-Streitkräfte präsent sind“.

Nach Angriff auf US-Basis: Erdoğan gerät unter Beschuss

Der US-Sender ABC News meldete kurz darauf, die Spezialeinheiten seien nach dem Vorfall von ihrem Posten abgezogen worden. Die Türkei habe jegliche Handlungen zu vermeiden, „die eine sofortige Verteidigungsreaktion nach sich ziehen könnten“, warnte das Pentagon. Stunden zuvor hatte bereits US-Armeechef Mark Milley gesagt, dem türkischen Militär seien die Positionen der amerikanischen Truppen in der Region mitgeteilt worden. „Und jeder ist sich voll bewusst, dass wir uns als US-Militär das Recht auf Selbstverteidigung vorbehalten.“

„Selbstverteidigung“

Das türkische Verteidigungsministerium wies den Vorwurf zurück, dass auf Truppen der Amerikaner oder des Militärbündnisses gegen den IS geschossen worden sei. Vielmehr seien türkische Grenzposten von Hügeln aus unter Beschuss genommen worden, die etwa einen Kilometer von einem US-Beobachtungsposten entfernt lägen. „Als Akt der Selbstverteidigung“ sei das Gegenfeuer auf die Stellungen der „Terroristen“ eröffnet worden – womit die türkische Regierung in der Regel kurdische Milizen meint.

Die islamistischen Terroristen des IS wittern seit Beginn der Offensive Morgenluft, verüben immer mehr Terroranschläge in der Region. Am Samstag etwa mit einer Motorradbombe in der Stadt Hasaka oder zwei Autobomben, die am Freitag in einer Grenzstadt detonierten.

Indes steigt der Druck auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan, der 30 Kilometer tief in syrisches Staatsgebiet vordringen will. Deutschland wird ab sofort seine Waffenexporte in die Türkei einschränken. Die Arabische Liga – ein Zusammenschluss der meisten arabischen Staaten – hat die türkische Militäroffensive scharf verurteilt.

Die Angriffe seien eine „Invasion in das Land eines arabischen Staates und ein Angriff auf seine Souveränität“, sagte Generalsekretär Ahmed Abul Gheit. Seit Beginn der Offensive sollen mehr als 100.000 Menschen geflohen sein. Sollte Erdoğans Offensive Erfolg haben, dürfte es sich um mehr als eine Million Menschen handeln.

Kommentare