Erdogan droht: Bei EU-Kritik Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge

Erdogan droht: Bei EU-Kritik Öffnung der Grenzen für Flüchtlinge
Der türkische Präsident verbittet sich Kritik an Syrien-Offensive und wirft Europäern mangelnde Unterstützung bei der Versorgung von Flüchtlingen vor.

Angesichts der Kritik der Europäer an der türkischen Militäroffensive in Nordsyrien hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan den EU-Staaten gedroht, die Grenzen für syrische Flüchtlinge zu öffnen. "Hey EU, wach auf! Ich sage erneut: Wenn ihr unsere Operation als Invasion darzustellen versucht, ist unsere Aufgabe einfach: Wir werden die Türen öffnen und 3,6 Millionen Menschen werden zu euch kommen", sagte Erdogan am Donnerstag in Ankara.

Erdogan hatte bereits zuvor gedroht, die Grenzen für die 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge in der Türkei zu öffnen, wenn die EU das Land bei deren Versorgung nicht stärker unterstützt. Nun warf er der EU erneut vor, ihre Versprechen aus dem Flüchtlingsdeal von März 2016 nicht eingehalten zu haben. "Nun sagen Sie, dass Sie uns die drei Milliarden Euro vorenthalten werden. Habt Ihr jemals eure Versprechen an uns eingehalten? Nein", sagte Erdogan.

In dem Flüchtlingsdeal hatte die EU zugesagt, über drei Jahre zwei Mal drei Milliarden Euro für die Versorgung der Flüchtlinge in der Türkei zu zahlen. Ankara hatte dafür zugesichert, mehr zu tun, um die Flüchtlinge an der Überfahrt auf die griechischen Ägäis-Inseln zu hindern. Die türkische Regierung beklagt seit Jahren, dass die zugesagten Hilfen nicht rasch genug überwiesen würden. Nach EU-Angaben wurden bisher 2,6 Milliarden Euro ausgezahlt.

Türkei meldet Geländegewinne

Die Türkei hat am zweiten Tag ihrer Militäroffensive gegen eine Kurden-Miliz im Nordosten Syriens Geländegewinne gemeldet. Die Truppen rückten östlich des Euphrats weiter vor, teilte das Verteidigungsministerium in Ankara am Donnerstag mit. Die vorgesehenen Zielgebiete seien eingenommen worden.

Dem von der Kurden-Miliz YPG angeführten Rebellenbündnis Syrische Demokratische Kräfte (SDF) zufolge kam es in mehreren Ortschaften und Städten im Grenzgebiet zu heftigen Kämpfen. Laut Augenzeugen flohen Tausende Menschen. Die kurdische Regionalverwaltung in dem Bürgerkriegsland warf der Türkei vor, auch ein Gefangenenlager beschossen zu haben, in dem IS-Kämpfer bewacht werden. Damit riskiere die Führung in Ankara den Ausbruch gefährlicher Extremisten und nehme damit "eine Katastrophe" in Kauf.

Die Türkei hatte am Mittwochnachmittag trotz internationaler Kritik ihre seit einigen Tagen angedrohte Offensive gestartet. Zunächst griffen Kampfjets an, dann eröffneten die Artilleriegeschütze das Feuer auf Stellungen und Munitionslager der YPG. Am Abend rückten schließlich Bodentruppen vor. Der Einsatz richte sich gegen eine Bedrohung durch die kurdische YPG- und die radikal-islamische IS-Miliz, erklärte Präsident Recep Tayyip Erdogan. Er will dort eine "Sicherheitszone" schaffen und bis zu zwei Millionen Flüchtlinge ansiedeln.

EU forderte Stopp

Die EU und die Bundesregierung forderten umgehend einen Stopp der Offensive. Befürchtet wird eine neue Eskalation in dem seit über acht Jahren tobenden syrischen Bürgerkrieg und eine weitere Destabilisierung der Region. Russland, dass in dem Bürgerkrieg an der Seite von Machthaber Bashar al Assad steht, forderte die Türkei am Donnerstag zu einem Dialog mit der syrischen Führung auf, um die Lage zu beruhigen. Die syrische Regierung hatte gedroht, den türkischen Einmarsch nicht einfach hinzunehmen.

Den Weg geebnet für die Offensive hatte ein umstrittener Abzug von US-Truppen aus Nordsyrien. US-Präsident Donald Trump verteidigt den Schritt gegen Kritik auch aus der eignen republikanischen Partei. Zu den Vorhaltungen, einige inhaftierte IS-Kämpfer könnten im Chaos der türkischen Angriffe entkommen und woanders eine Bedrohung darstellen, spielte Trump eine Gefahr für sein Heimatland herunter. "Nun, sie werden nach Europa fliehen. Dort wollen sie hin", sagte er am Mittwoch.

Senator Lindsey Graham - einer der engsten Vertrauten von Trump im Kongress und Republikaner wie er - kritisierte den Präsidenten offen: "Dies ist die Mentalität vor dem 11. September, die den Weg für den 11. September ebnete: Was in Afghanistan passiert, geht uns nichts an. Wenn er damit weitermacht, ist dies der größte Fehler seiner Präsidentschaft", sagte Graham dem Sender "Fox News". Liz Cheney aus der Fraktionsführung der Republikaner im Repräsentantenhaus kritisierte, die USA ließen mit den Kurden US-Verbündete im Stich, die vor Ort gegen die IS-Miliz gekämpft und zum Schutz des US-Heimatlandes beigetragen hätten. Diese Entscheidung ebne den Weg für ein Wiederaufleben des IS.

Im Kampf gegen die Extremisten-Miliz Islamischer Staat war die YPG zusammen mit dem Rebellenbündnis SDF auf syrischem Boden lange Zeit der wichtigste Verbündete der internationalen Militärkoalition unter Führung der USA. Gleichzeitig ist die Miliz der Türkei aber ein Dorn im Auge. Die Regierung in Ankara betrachtet die Miliz als Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK und damit als Terrororganisation. Sie fürchtet ein Erstarken der Kurden jenseits der türkischen Südgrenze und damit auch der in der Türkei nach Autonomie strebenden Kurden.
 

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