Münchner Sicherheitskonferenz: Euphorie wich Sorgenfalten

Münchner Sicherheitskonferenz: Euphorie wich Sorgenfalten
Regierungschefs und Sicherheitsberater diskutierten die drängendesten Fragen der Weltlage. Großes Sorgenkind war einmal mehr die Ukraine.

„Bitte, ich muss zu meinem Minister“, fleht eine osteuropäische Kabinettmitarbeiterin. Der Sicherheitsmann bleibt hart, der Durchgang versperrt – zumindest, bis die nächste Delegation den Hauptsaal der Münchner Sicherheitskonferenz verlassen hat.

Eine Situation, die sich im Hotel Bayerischer Hof an diesem Wochenende oft und oft wiederholt. Staatsoberhäupter, Generäle, Sicherheitsberater – ein großer Teil der westlichen Verteidigungspolitik – jedoch etwa ohne US-Generalstabschef Charles Brown – hat sich hier versammelt, um die drängenden Fragen der Geopolitik zu diskutieren: der Abzug ukrainischer Truppen aus Awdiikwa; massiver Munitionsmangel bei den ukrainischen Streitkräften; der Tod Alexei Nawalnys; die Frage, was mit der NATO geschieht, sollte Donald Trump im Herbst abermals Präsident der USA werden.

Scholz will Abschreckung

Für den deutschen Kanzler Olaf Scholz war die Ukraine der drängendste Punkt: „Trotz ihrer Verluste sind die russischen Streitkräfte intakt, die Volkswirtschaft arbeitet längst im Kriegsmodus und Putin schickt immer mehr Soldaten an die Front“, sagte er gleich zu Beginn seiner Rede am Samstagvormittag. Gleichzeitig müsse man sich im Westen fragen, ob genug getan werde, um Putin zu signalisieren, dass man für eine lange Krisenzeit bereit sei.

Von der Euphorie, die die Sicherheitskonferenz vor einem Jahr beherrscht hatte – damals war man der Überzeugung, dass die Lieferung von Kampfpanzern der Ukraine einen entscheidenden Vorteil, wenn nicht gar den Sieg bringen würde – war deutlich weniger zu spüren. „Die Bedrohung durch Russland ist real und unsere Abschreckung muss glaubwürdig sein und bleiben“, stellte Scholz fest und kündigte an, dass Deutschland schon bald das Zwei-Prozent-Ziel der NATO erreichen werde.

Unabhängig davon, wie die heurigen Wahlen „diesseits und jenseits des Atlantiks“ ausgingen, müsse Europa mehr für seine Sicherheit unternehmen. „Das Geld, das wir jetzt ausgeben, fehlt woanders, aber ohne Sicherheit ist alles nichts“, setzte Scholz nach und verwies auf das Sicherheitsabkommen, das er mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskij am Freitag abgeschlossen hatte: 1,13 Milliarden Euro soll das neue Waffenpaket wert sein.

Stärkere Flugabwehr gefordert

Nach Scholz sprach Selenskij – und auch dieser machte klar: „Wenn wir jetzt nicht handeln, wird Putin das Jahr 2024 zu einer Katastrophe für die Welt machen.“ Den Abzug der Streitkräfte aus Awdiikwa nannte er „richtig und notwendig, um Menschenleben zu schützen“.

Nicht zuletzt Nawalnys Tod habe gezeigt, dass Putin töte, „wen auch immer er will. Ob in London oder Berlin.“ Neben dem Einsatz Tausender aus dem Gefängnis rekrutierten russischer Kämpfer war auch das massive Bombardement Awdiikwas mit FAB-Bomben ausschlaggebend für den Fall der Stadt. Einmal mehr betonte Selenskij die Notwendigkeit einer stärkeren Flugabwehr – nicht nur für die Front, „sondern damit die Menschen wieder aus dem Ausland zurückkehren und ihr Land wieder aufbauen können“.

Pläne der EU

Zur Lage in der Ukraine gesellt sich die Sorge Europas, unter einem US-Präsidenten Donald Trump mehr auf sich allein gestellt zu sein. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte eine Strategie zu einer gemeinsamen Rüstungspolitik der Europäischen Union an: Zum Einen müsse Europa schlicht mehr Geld ausgeben, zum Zweiten müssten die Mittel besser eingesetzt werden. Außerdem müsse gezielt eine europäische Rüstungsindustrie mit guten Arbeitsplätzen geschaffen werden, so von der Leyen, und verwies auf die Produktion von Patriot-Flugabwehrsystemen. Sicherheitsanalysten sehen in diesem Vorhaben einen kleinen Schritt in Richtung weiterer strategischer Autonomie der EU. Wiewohl das Ziel noch „sehr weit entfernt“ liege.

Im Bereich der Waffenlieferungen wartet die Ukraine derzeit auf Grünes Licht des US-Kongresses fürs 60-Milliarden-Paket, das von Trumps Republikanern bisher blockiert wurde. „Wenn Trump nach Kiew kommt, bin ich bereit, mit ihm an die Front zu gehen“, sagte Selenskij: „Entscheidungsträger müssen wissen, wie Krieg in der Realität, nicht nur auf Instagram ist.“

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