Neuer Berlusconi-Skandal im Nachwahlchaos
Nach dem knappen Wahlergebnis versucht Italiens Mitte-rechts-Führer Silvio Berlusconi wieder in die Regierung zu kommen. Er rief die politischen Kräfte zu einem „Signal der Stabilität“ für das Land auf. Er wünscht sich ein Regierungsbündnis noch vor der ersten Parlamentssitzung. Seine erste Wahl ist offenbar eine große Koalition mit der Mitte-links-Allianz von Pier Luigi Bersani. Diese schwierige Konstellation wurde durch am Donnerstag bekannt gewordene Justizvorwürfe gegen Berlusconi noch schwerer denkbar.
Italienische Zeitungen berichten, Ex-Premier Berlusconi habe 2006 den Senator Sergio De Gregorio mit drei Millionen Euro bestochen, damit dieser in sein Lager wechselt – ein harter Schlag damals für das regierende Mitte-links-Bündnis von Romano Prodi. Die Ermittlungen der Justiz in Neapel wegen Korruption und illegaler Parteienfinanzierung basierten auf Aussagen eines Journalisten, der in einen Skandal um die Erpressung Berlusconis involviert sei.
Stimmenkauf
Damit nicht genug: Die Staatsanwaltschaft von Reggio Emilia hat Untersuchungen wegen Stimmenkaufs aufgenommen: In einem Brief an alle Wähler hatte Berlusconi gebeten, ihn zu wählen, dann würde er die Immobiliensteuer zurückzahlen.
Nach der Wahlkampfpause gehen jetzt gleich drei Prozesse gegen Berlusconi in die Endphase: Der Ruby-Prozess wegen Amtsmissbrauchs, Sex mit einer Minderjährigen; der Unipol-Prozess wegen des Bruchs des Amtsgeheimnisses durch Berlusconi, um einen Oppositionellen zu belasten; der Mediaset-Prozess wegen Steuerbetrugs in Berlusconis TV-Konzern Mediaset. In erster Instanz wurde Berlusconi zu vier Jahren Haft verurteilt. Der nächste Gerichtstermin in zweiter Instanz ist heute, Freitag. Linken-Chef Bersani könnte vielleicht derweil doch politische Unterstützung bei den jungen „Grillini“ finden. Aus der zweiten Reihe, so ist zu hören, gibt es Appelle an ihren Wortführer Beppe Grillo, Bersani nicht so brüsk abzuweisen. Das sei ein Fehler. Grillo hatte Bersanis Vorstoß für ein Zusammengehen mit den „Grillini“ glatt abgewiesen: Bersani sei eine „sprechende Leiche“, der er nicht sein Vertrauen aussprechen werde. Als wahrscheinlich gilt, dass die „Grillini“ einzelne Gesetzesanträge unterstützen.
Staatspräsident Napolitano, ein ernsthafter und ernst zu nehmender Mann, gab sich in Berlin trotz allem optimistisch: „Ich bin sicher, dass in den nächsten Wochen eine italienische Regierung gebildet wird.“
SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück beherrscht nach längerer Absenz wieder die Medien – und wieder mit Negativ-Schlagzeilen. Die verursachte sein Kommentar zu Italiens Wahlausgang, in dem er „zwei Clowns“ siegen sah: den „Berufskomiker Grillo und den definitiven Clown Berlusconi“.
Dass Steinbrück dieses Urteil über den langjährigen Ministerpräsidenten Italiens kaum 24 Stunden vor dem Treffen mit Staatspräsident Giorgio Napolitano in Berlin öffentlich abgab, brachte ihm nicht nur dessen Absage. „Wenn man über das Ergebnis freier Wahlen in einem befreundeten Land spricht, muss man wirklich sehr ausgewogen sein bei der Wortwahl und sich mäßigen“, begründete sie Napolitano in der Pressekonferenz neben dem sichtbar peinlich berührten Bundespräsidenten Joachim Gauck.
Mit der Aussage gelang Steinbrück „aber auch das seltene Kunststück, Italien zu einen“ (Handelsblatt): Dessen Parteien und Medien reagierten beleidigt: „Zwischen Sorge und Flegelhaftigkeit gibt es noch einen Unterschied, der niemandem zu überschreiten erlaubt ist“, empörte sich der sonst moderate Corriere della Sera, der wie alle anderen Italiens „Würde“ gegen den „deutschen König der Fettnäpfe“ verteidigte – ohne Parallelen zu Berlusconi.
Steinbrück reagierte bisher nicht darauf, seine SPD verteidigte ihn: „Er hat es auf den Punkt gebracht“, sagte SPD-Parlaments-Geschäftsführer Thomas Oppermann, „als Bundeskanzler wird er sicher zurückhaltender sein.“ Der Präsident des Europa-Parlaments Martin Schulz (SPD) hingegen mahnte zu Zurückhaltung. Dessen grüner Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit sagte, „wer Kanzler werden will, darf nicht so ausrasten“, Steinbrück werde zum Problem.
„Fehlleistungen“
Das sieht die Regierungskoalition in Berlin auch so: „Wer Kanzler werden will, kann sich solche diplomatischen und rhetorischen Fehlleistungen nicht erlauben“, sagte der Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer. Dessen FDP-Kollege Volker Wissing nennt Steinbrück ein „zunehmendes Sicherheitsrisiko“, er werde zum „Peerlusconi auf unterstem Stammtischniveau“. In der größten Umfrage dazu gaben 55 Prozent von 40.000 Bild-Online-Lesern Steinbrück recht im Urteil. Ob er es auch öffentlich sagen sollte, wurden sie aber nicht gefragt.
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