Bosniens Serbenführer Dodik trat in Wien auf: Was daran problematisch ist
Die bosnische Botschaft organisierte in der - vom österreichischen Außenministerium mitfinanzierten - Diplomatischen Akademie eine Podiumsdiskussion, an der auch der höchst umstrittene Dodik teilnahm.
"Er droht tagtäglich mit Sezession und leugnet den Genozid", sagt der Balkan-Experte Vedran Džihić vom Österreichischen Institut für Internationale Politik über ihn: Milorad Dodik, Präsident der Republika Srpska, der serbischen Entität Bosnien-Herzegowinas. Er ist dafür bekannt, regelmäßig zu zündeln.
Immer und immer wieder stellt der 65-Jährige eine Abspaltung seines Landesteils in den Raum. Der Völkermord von Srebrenica 1995, bei dem serbische Einheiten über 8.000 Bosniaken getötet haben, ist ihm zufolge nie passiert.
International ist die Kritik an Dodik auch wegen seines guten Verhältnisses zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin laut: Die beiden dürften sich seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 bereits viermal getroffen haben.
Keine Sanktionen gegen Russland
Beim letzten Mal, Ende Februar 2024, beklagte Dodik den Druck des Westens. Sein Landesteil werde keine Sanktionen gegen Russland verhängen, sondern weiterhin mit Moskau kooperieren - so zitierte ihn jedenfalls die russische Nachrichtenagentur TASS. Die USA und Großbritannien haben Dodik längst auf ihre Sanktionslisten gesetzt. Am Donnerstag durfte der umstrittene Balkanpolitiker unter der Schirmherrschaft der bosnischen Botschaft in Wien auftreten.
Zusammen mit den beiden anderen hochrangigsten Vertretern der bosnischen Staatsvölker - Dragan Čović, Vorsitzender der bosnisch-kroatischen Partei HDZ, und Nermin Nikšić, Premier der bosniakisch-kroatischen Föderation - sollte Dodik rund zwei Stunden lang auf einem Podium über den Weg Bosnien-Herzegowinas in die EU diskutieren, jedenfalls laut Einladung.
Darüber wurde aber dann gar nicht so viel gesprochen. Die Veranstaltung in der vom Außenministerium mitfinanzierten Diplomatischen Akademie war vor allem eines: eine Möglichkeit für Dodik, sich einmal mehr mit scharfen Worten gegen die zahlreichen Vorwürfe des Westens gegen ihn zu verteidigen.
Dodiks Anwalt hielt Keynote
Das begann schon bei der merkwürdigen, aber vielsagenden Redner-Auswahl für die Keynote vor der Diskussion: Anto Nobilo, der Anwalt Dodiks. Wenig überraschend feuerte dieser gegen den Hohen Repräsentanten (HR) für Bosnien-Herzegowina, den Deutschen Christian Schmidt: "Wer nicht tut, was er will, ist ein Krimineller.“
Genau das ist Nobilo zufolge Dodik passiert, gegen den in Sarajewo ein Gerichtsprozess läuft, weil er eben die Entscheidungen Schmidts und jene des bosnischen Verfassungsgerichts nicht anerkennt. Nobilo stellte die Rolle und Macht des HR im Allgemeinen in Frage. Es sei "nicht akzeptabel“, dass der HR 28 Jahren nach dem Friedensvertrag von Dayton noch so viel Macht in Bosnien-Herzegowina habe.
Nicht nur Dodik-Fans stehen Schmidt und dem enormen Einfluss, den der Westen über ihn in Bosnien-Herzegowina noch immer hat, skeptisch gegenüber. Vergangenes Jahr sorgte Schmidt für großen Wirbel, indem er mit gewohnt wenig Fingerspitzengefühl während des Wahlvorgangs das bosnische Wahlgesetz änderte. Tausende aufgebrachte Demonstranten forderten damals seinen Rücktritt.
Bosnien-Herzegowina ist seit Ende des Kriegs 1995 in zwei weitgehend autonome Landesteile aufgeteilt: die bosniakisch-kroatische Föderation und die Republika Srpska. Den Krieg, der 1992 begann und rund 100.000 Menschen das Leben kostete, beendete der Friedensvertrag von Dayton. Bei öffentlichen Ämtern ist in Bosnien seither ethnischer Proporz entlang der drei Staatsvölker - Bosniaken, Serben und Kroaten - vorgesehen.
Über die Einhaltung des Dayton-Vertrags wacht der Internationale Hohe Repräsentant (HR), der auch Gesetze erlassen darf, wenn die politischen Lager keine Kompromisse finden können. Der aktuelle internationale Vertreter, der Deutsche Christian Schmidt, machte bereits mehrmals von seinen umfangreichen Befugnissen, den sogenannten Bonn-Powers, Gebrauch. Die politischen Kräfte in Bosnien-Herzegowina sehen den HR kritisch.
"Hoffe, dass der Hohe Repräsentant abgeschafft wird"
Diese Wut weiß Dodik geschickt für sich zu nutzen, so auch am Donnerstag in Wien. Er machte auf dem Podium da weiter, wo Nobilo aufhörte: "Ich hoffe, dass der Hohe Repräsentant abgeschafft wird“, sagte er. Immer wieder betonte er außerdem, er sei - im Gegensatz zu Schmidt - rechtmäßig von den Bürgern seines Landes gewählt. "Ausländer“ würden in Bosnien-Herzegowina derzeit "aufgrund von Kompetenzen, die sie eigentlich nicht haben“ eine wichtige Rolle spielen.
Die USA bezeichnete Dodik als "arrogant“, sie würden Schmidt überhaupt erst das Gefühl geben, ein Entscheidungsträger zu sein. Weil er all das nicht wolle, werde er in der Öffentlichkeit als Separatist bezeichnet. Einen gewaltsamen Konflikt wolle er nicht, betonte er mehrmals.
Dodiks Versuche, sich als Opfer des Westens darzustellen, wurden von Aurora Weiss, der Moderatorin des Events, nicht entschärft oder kommentiert - im Gegenteil. Als sie den bosnischen Serbenführer auf sein gutes Verhältnis zu Putin ansprach, sagte sie, westliche Medien würden Propaganda gegen Dodik betreiben und damit Druck auf ihn und seine Unterstützer ausüben. Das wundert nicht, wenn man sich ihren Hintergrund genauer ansieht. Zwar wurde Weiss, auf deren Initiative das Event offenbar überhaupt erst zustande kam, auf der Einladung als BBC-Journalistin angeführt. Doch sie ist auch Beraterin für internationale Fragen und Sicherheit - im Kabinett Dodiks.
Bezüglich seiner Putin-Besuche sagte Dodik, der Krieg in der Ukraine sei "kein Krieg zwischen Russland und der Ukraine, sondern zwischen dem Westen und Russland auf dem Territorium der Ukraine.“ Er nahm die russische Bevölkerung in der Ukraine in Schutz, deren Bedürfnisse seit Jahren ignoriert worden seien. "Die alten Imperialisten“, in seiner Auffassung der Westen, würden "immer einen Sündenbock“, damit dürfte er Russland gemeint haben, finden.
"Werde nicht aufhören, Putin zu besuchen"
Auf die KURIER-Nachfrage, ob er sich auch noch mit Putin treffen würde, wenn Bosnien-Herzegowina offiziell mit den EU-Beitrittsgesprächen begänne - wie diese Woche von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen empfohlen -, antwortete Dodik: "Ich werde nicht aufhören, Putin zu besuchen. Aber ich würde auch (US-Präsident Joe, Anm.) Biden besuchen, wenn ich könnte.“
Die EU bezeichnete Dodik als "immer instabiler“, das würden auch die zahlreichen Probleme in Folge des Kriegs in der Ukraine zeigen, für die die Staats- und Regierungschefs keine Lösungen fänden. So ging es dann schließlich doch noch um die EU, aber anders als der Titel des Events zu Beginn womöglich erwarten ließ.
Südosteuropa-Experte Vedran Džihić kritisierte die Veranstaltung bereits im Vorfeld gegenüber der APA scharf. Dodik würde die EU-Politik konterkarieren und gelte für viele europäische Staaten als "Persona Non Grata". Auch innerhalb Bosniens erachtet Džihić die Rolle des Präsidenten der Republika Srpska als problematisch. "Dodik eine Bühne zu geben, ist ein schwerer Fehler", so Džihić.
Ein Vertreter der bosnisch und herzegowinisch-österreichischen Jugend (BÖJ), Kabir Sokullu, der am Donnerstag im Publikum saß, sprach gegenüber dem KURIER danach von einem "ganz komischen“ Event. Er finde es erstaunlich, dass Dodik in Wien auftreten konnte: "Es gilt, Konsequenz zu zeigen, wenn ein Mann unter Sanktionen steht. Man sollte ihn das spüren lassen und den politischen Druck aufrechterhalten, um die gewünschten Reformen in Bosnien voranzubringen.“
Sokullu hätte sich von der Diplomatischen Akademie eine "fürsorglichere Auswahl bei der Vergabe der Räumlichkeiten“ gewünscht. Auch die BÖJ habe hier schon öfter Events organisiert, da sei immer die Frage gekommen: "Wer kommt da?“ Bei einem Namen wie Dodik hätten doch die Alarmglocken klingeln“ müssen.
Von Seiten der Diplomatischen Akademie hieß es, dass der Raum von der bosnischen Botschaft gemietet worden sei. "Die Veranstaltung wird weder von uns finanziert oder organisiert noch haben wir dazu eingeladen", so Pressesprecherin Nadja Wozonig.
Die Diplomatische Akademie sei jedoch "besonders in Konfliktsituationen dem Dialog verpflichtet. Es wäre falsch, wenn wir der Botschaft des Landes vorschreiben würden, wer bei einem solchen Gespräch über die gemeinsame EU-Perspektive von Bosnien und Herzegowina teilnehmen darf". Es würden "gewählte Vertreter aller drei ethnischen Gruppen sprechen".
Čović ebenfalls umstritten
Dodik war übrigens nicht der einzige umstrittene Teilnehmer: Čović, der politische Unterstützung aus dem EU-Land Kroatien bekommt, werden ebenfalls sezessionistische Ambitionen nachgesagt. Zuletzt blockierte er ein Gesetz, das nach Wunsch der USA eine Gasleitung errichten sollte, um Flüssiggas vor der kroatischen Adriainsel Krk nach Bosnien zu pumpen, wie die New York Times berichtete.
Die Intention der USA sei es, Bosnien unabhängiger von russischem Gas und damit Einfluss zu machen. Čović fordert, dass die Kontrolle über das rund 100-Millionen-Euro-Projekt einer noch zu schaffenden und von Kroaten geführten Gesellschaft mit Sitz in Mostar übertragen wird. US-Außenminister Antony Blinken warf Čović daraufhin "offenkundige Korruption" vor.
(kurier.at, Agenturen, sem)
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Aktualisiert am 14.03.2024, 18:04
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