Militärexperte: "Putin will den Krieg schnellstens beenden“

Angriffe in Kiew
Was in der Ukraine gerade passiert, folge einem klassischen „Playbook“, sagt Franz-Stefan Gady, Militäranalyst Institute for International Strategic Studies in London: „Russland führt gerade einen rapiden Bewegungskrieg, der exakt der russischen Militärdoktrin folgt“ – alle neuralgischen Punkte wie etwa Flughäfen und Transportknotenpunkte werden dabei besetzt und eingenommen, zusätzlich wird Verwirrung gestiftet.
„Das Ziel dabei ist, die ukrainischen Streitkräfte einzukesseln und zu zerschlagen“, sagt er. Teils sei der russischen Armee das im Laufe des Donnerstags schon gelungen, der Luftraum über der Ukraine ist etwa bereits jetzt fest in russischer Hand.
Putins Kriege und Machterhalt
Eigene Dynamik
Wie lange die Kämpfe dauern werden, hänge darum hauptsächlich von der Gegenwehr der ukrainischen Armee ab. „Russland will seine Truppen nicht langfristig in der Ukraine lassen“, sagt Gady. Wenn die ukrainischen Streitkräfte allerdings den Initialangriff überstehen, die Kampfmoral hoch ist und sie auf Verzögerungskämpfe setzen, „dann wird sich der Krieg hinauszögern“ – das hätte wiederum unzählige Opfer auf beiden Seiten zur Folge.
Eine Ausdehnung der Kämpfe befürchtet der Militäranalyst darum nicht. „Konflikte haben natürlich eine eigene Dynamik, aber ich rechne damit, dass der Konflikt auf die Ukraine konzentriert bleibt“ – zumal die NATO ja derzeit nicht aktiv eingreifen will.
Russland habe zudem auch aus Eigeninteresse kein Interesse daran, dass die Lage weiter eskaliert. 75 Prozent der russischen Landstreitkräfte sind derzeit in der Ukraine stationiert, Russland wäre darum an anderer Stelle exponiert. Die NATO auf der anderen Seite hätte derzeit aber auch nicht die nötigen Kräfte in Europa, um einem Angriff Russlands etwas entgegenzusetzen.
Dass eine weitere Ausdehnung der Kämpfe – etwa aufs Baltikum – derzeit eher unwahrscheinlich ist, sehe man daran, dass in der Region keine russischen Truppen zusammengezogen worden seien. „Russland kann keinen Zwei-Fronten-Krieg führen“, sagt Gady, darauf seien die Streitkräfte nicht ausgelegt. Ausgerüstet sei die russische Armee für „kurze konventionelle Bewegungskriege in der Nähe“ – und genau das sehe man jetzt in der Ukraine. „Russland führt eine aktuelle Version der Kabinettskriege aus dem 18. Jahrhundert“, sagt Gady – die waren limitiert, äußerst brutal und hatten konkrete Ziele. „Es ging nicht um Eroberung, sondern um politische Ziele.“
Politische Ziele
Er rechnet darum damit, dass Russlands Präsident Putin „alles versuchen wird, um den Krieg schnellstens zu beenden und eine politische Lösung zu finden.“ Denkbar wäre etwa, dass sich die Ukraine verpflichtet, keine Raketensysteme zu stationieren oder dass sich der Staat neutral erklärt.
Allein: Ausgeschlossen sei nichts, gibt Gady zu bedenken, schließlich sei auch ein nuklearer Angriff Teil der russischen Militärdoktrin. „Krieg ist ein unberechenbares Wesen.“

Kommentare