Erneut 800 Menschen auf Lampedusa angekommen: Meloni fordert Hilfe

Migrants in Lampedusa
Nach der Ankunft Tausender Migranten in dieser Woche auf Lampedusa fordert Meloni Hilfe. EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen reist nach Italien.

Nach der Ankunft Tausender Migranten auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa will EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen noch an diesem Samstag nach Rom reisen und sich am Sonntag ein Bild der Lage auf der Mittelmeerinsel machen. Zuvor hatte die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine europäische Mission gefordert, um Migrantenboote auf dem Weg nach Europa zu stoppen. Allein am Samstag waren bis zum späten Nachmittag erneut mehr als 800 Menschen auf Lampedusa angekommen.

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Wenn nötig müsse die Marine eingesetzt werden, sagte die Rechtspolitikerin in einer Videobotschaft am Freitagabend. Nach Melonis Vorstellung sollen die Menschen bereits in Nordafrika vom Ablegen abgehalten werden. Eine solche Mission müsse "sofort" starten. Eine Telefonkonferenz mit Innenministerinnen und Innenministern aus Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien mit der EU-Innenkommissarin Ylva Johansson verlief jedoch ohne konkretes Ergebnis.

Unterdessen kam es in mehreren tunesischen Küstenorten zu Razzien, bei denen es zu Festnahmen von Schleppern und illegalen Migranten kam. 

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Lampedusa gehört zu Europas Brennpunkten der Migration

Seit Montag haben mehrere Tausend Bootsmigranten die kleine Insel zwischen Sizilien und Nordafrika erreicht. Allein am Dienstag kamen mehr als 5.000 Menschen an - so viele wie noch nie an einem einzigen Tag. Zeitweise war das Erstaufnahmelager mit rund 6.800 Menschen maßlos überfüllt. Wegen der Nähe zur tunesischen Küstenstadt Sfax gehört Lampedusa seit Jahren zu den Brennpunkten der Migration nach Europa. Der Stadtrat der Insel rief am Mittwoch angesichts der angespannten Lage den Notstand aus.

Tunesien ist eines der wichtigsten Transitländer für Migranten auf dem Weg nach Europa. Die EU-Kommission plant derzeit ein Migrationsabkommen mit dem nordafrikanischen Land. Im Gegenzug für millionenschwere Finanzhilfen soll Tunesien künftig stärker gegen Schlepper und illegale Überfahrten vorgehen, um dort die Abfahrten von Menschen in Richtung Europa zu reduzieren.

Lampedusa laut Bürgermeister "von Migranten überwältigt"

Seit Jahresbeginn kamen laut Zahlen des Innenministeriums in Rom mehr Migranten als im gesamten Jahr 2022 über das Meer nach Italien. Bis zum 15. September waren es rund 127.200 Menschen - im Vorjahreszeitraum rund 66.200.

Auf Lampedusa wurde angesichts der massenhaft ankommenden Migranten der Notstand ausgerufen. Die Insel sei überwältigt von den Migranten, allein am Dienstag und Mittwoch seien etwa 7.000 Menschen aus Nordafrika in Booten angekommen, klagte Bürgermeister Filippo Mannino. Etwa 10.000 Personen erreichten im Laufe dieser Woche Lampedusa, auf der 6.300 Personen leben.

  • Mehr als 800 Menschen seien auf mehr als einem Dutzend Booten bis zum Samstagnachmittag angekommen, meldete die italienische Nachrichtenagentur Ansa.
  • Am Freitag waren 15 Boote mit insgesamt 527 Personen an Bord eingetroffen.

400 Migranten sollen im Laufe des Samstags Lampedusa in Richtung Sizilien verlassen.

Ein Baby, das während der Überfahrt auf einem Migrantenboot geboren wurde, starb kurz nachdem es zur Welt kam. Die Mutter des Babys, die während der Überfahrt Wehen bekam, entband mit Hilfe einiger Mitreisender. Berichten zufolge starb das Baby unmittelbar nach der Geburt. Etwa 40 Migranten befanden sich an Bord des Bootes, das von einem Patrouillenboot der Hafenbehörde gerettet wurde.

Meloni will ein hartes Vorgehen gegen den Anstieg der Ankünfte auf Lampedusa

Die italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni versprach ein hartes Vorgehen gegen den Anstieg der Ankünfte vor allem auf Lampedusa. Meloni sagte, das Mittelmeerland und Europa könnten die enorme Zahl an Menschen nicht aufnehmen. "Der Migrationsdruck, den Italien seit Anfang dieses Jahres erlebt, ist unhaltbar", sagte die Rechtspolitikerin. Sie habe den Präsidenten des Europäischen Rates Charles Michel auch darum gebeten, das Thema Einwanderung auf die Tagesordnung des EU-Gipfels im Oktober zu setzen.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen will noch vor ihrer Reise nach Lampedusa in Rom zunächst Regierungschefin Giorgia Meloni treffen, sagte ein Sprecher von der Leyens am Vormittag am Rande einer Veranstaltung in Hanau. Meloni und von der Leyen wollten dann zusammen Lampedusa besuchen, sagte der Sprecher. Der Besuch Lampedusas ist für Sonntag geplant.

Meloni hatte von der Leyen am Freitag eingeladen, sich auf Lampedusa ein Bild vom "Ernst der Lage" zu machen, in der sich Italien befinde. Auf Lampedusa kam es indes am Samstag zu einer Protestkundgebung von Anrainern. Sie demonstrierten gegen angebliche Pläne zur Errichtung eines Zeltlagers für die Unterbringung der Migranten, da der Hotspot der Insel überfüllt ist. "Schluss, Lampedusa gehört uns und nicht der EU", skandierten einige Demonstranten.

Sofortmaßnahmen werden von Melonis Kabinett beschlossen

Meloni kündigte Sofortmaßnahmen an, die ihr Kabinett am kommenden Montag beschließen werde - darunter die Aufforderung an die Armee, größere Aufnahmezentren zu errichten und die Zeitspanne zu verlängern, in der die Menschen festgehalten werden können.

Italiens Außenminister Antonio Tajani kündigte Maßnahmen zur Eingrenzung der illegalen Migration an. "Wir werden Orte einrichten, an denen diejenigen, die illegal in unser Land eingereist sind, festgehalten werden, um in Übereinstimmung mit den EU-Vorschriften zu überprüfen, ob sie ein Bleiberecht haben oder nicht. Sicherlich werden sie nicht mehr wie in der Vergangenheit in Italien herumlaufen können", sagte Tajani nach Medienangaben.

Deutschland will vorerst keine weiteren Migranten freiwillig aus Italien aufnehmen

Angesichts der Lage auf Lampedusa berieten sich die Innenministerinnen und Innenminister aus Deutschland, Italien, Frankreich und Spanien am späten Samstagnachmittag. Die Telefonkonferenz, an der auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson teilnahm, brachte jedoch kein konkretes Ergebnis, teilte ein Sprecher des deutschen Innenministeriums in Berlin auf Anfrage mit.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser habe betont, "dass sich Deutschland immer solidarisch gezeigt hat und dies auch weiter tun wird". Außerdem habe sie humanitäre Unterstützung Deutschlands angeboten. Italiens Innenminister Matteo Piantedosi forderte laut Mitteilung, eine "neue operative Strategie", die darauf abziele, konkrete Initiativen zu ergreifen, um die Überfahrten zu stoppen. 

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Deutschland hält daran fest, vorerst keine weiteren Migranten aus Italien über den freiwilligen Solidaritätsmechanismus aufzunehmen. Derzeit würden keine Interviews zur Vorbereitung von weiteren Übernahmen aus Italien stattfinden, sagte ein Sprecher. Es gebe noch einige Migranten, die das Verfahren bereits durchlaufen hätten und übernommen würden. Die Interviews zur Vorbereitung von Übernahmen könnten "jederzeit wieder aufgenommen" werden.

Angesichts der Lage auf Lampedusa wollen die Innenminister Italiens, Frankreichs und Deutschlands gemeinsam mit Vertretern der Europäischen Union eine Telefonkonferenz abhalten, meldete die Nachrichtenagentur Ansa.

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