Am Dienstagabend reagierte die Regierung nun und rief einen sechsmonatigen Ausnahmezustand aus. Fünf Millionen Euro sollen so lockergemacht werden, hieß es. Das Geld dürfte vor allem in die heillos überfüllten Aufnahmezentren fließen.
Doch angesichts dieser Situation stellt sich nicht nur einmal mehr die Frage, wie Europa mit den Mittelmeer-Flüchtlingen umgehen soll. Sondern auch jene nach dem Warum. Woher und wovor flüchten die Menschen aktuell über das Mittelmeer?
Westliche Versäumnisse
Mehr als zwei Drittel kommen derzeit aus Tunesien. Das ist neu, früher kamen sie überwiegend aus Libyen. Das hat einerseits damit zu tun, dass Tunesien mit einer schweren Wirtschaftskrise kämpft und Präsidenten Kais Saied das Land mit eiserner Hand regiert.
Auch die vom Klimawandel ausgelöste Dürre macht den 12 Millionen Tunesiern das Leben immer schwerer. Viele der Migranten stammen auch aus anderen afrikanischen Ländern, sie nutzen Tunesien nur als Transitland.
Der Migrationsexperte Gerald Knaus erkennt viele westliche Versäumnisse: "Der europäischen Politik ist es in den letzten Jahren weder gelungen, Tunesien zu stabilisieren, noch umsetzbare Migrationspartnerschaften zu finden."
Aktuell gebe es kein funktionierendes Rückführabkommen mit Tunesien. Daher zahle es sich auch ohne Asylchance aus, von dort auf Booten nach Italien zu fahren. „Diese Boote sind in der Regel heute größer und etwas sicherer als die Schlauchboote von 2016“ fügt Knaus hinzu.
Dass so viele Tunesier gerade in Italien ankommen, hängt wohl auch mit einer Maßnahme Serbiens zusammen. Nach kräftigem Druck aus der EU hob Belgrad Ende 2022 seine Visafreiheit für Tunesier auf. Das erklärt auch, warum diese im Vorjahr 12.000 Asylanträge in Österreich gestellt haben, in den ersten zwei Monaten 2023 nicht einmal 80.
"Hohle Phrasen, aber kein Konzept"
Die derzeitige Krise in Italien war laut Knaus vorhersehbar: "Meloni ist gegen irreguläre Migration. Aber laute Rhetorik ohne irgendein Konzept führen zu keinem Resultat – das sehen wir hier einmal mehr."
Italiens Rufe nach der europäischen Lösung hält Knaus für "hohle Phrasen". Aktuell würden keine Konzepte für eine Migrationsdiplomatie auf dem Tisch liegen, die die Situation verbessern könnten.
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