Merkel soll sich über Star-Virologen Drosten ärgern

Merkel Speaks To Media Following Conference Call With States Leaders During The Coronavirus Crisis
Weil er ständig seine Meinung ändere, soll sich die deutsche Bundeskanzlerin angeblich unzufrieden mit der Beratung durch den Virologen gezeigt haben.

Offiziell klang das am Donnerstag wie immer. Bei einer Pressekonferenz, in der Angela Merkel weitere Lockerungen verkündete, lobte sie wie gewohnt auch die Leistung der "hervorragenden Wissenschaftler", die es in Deutschland gebe. Dass diese in den letzten Tagen vermehrt in die Kritik geraten seien, verstehe sie nicht. "Ich warne davor, den Überbringer der Botschaft dafür verantwortlich zu machen, dass der Wunsch nicht in Erfüllung geht."

Im kleinen Kreis aber, da soll Merkel ganze andere Töne angeschlagen haben. Bei einer Telefonschaltkonferenz mit den Ministerpräsidenten habe die deutsche Kanzlerin erstmals deutliche Kritik am deutschen Star-Virologen Christian Drosten geäußert, berichtet die Bild-Zeitung. Regierungssprecher Steffen Seibert dementierte dies gegenüber dem Blatt ("Diese Berichterstattung ist falsch"). Laut seinen Worten habe Merkel den Virologen auch zuvor nicht kritisiert.

Drosten berät die Bundesregierung seit Beginn der Corona-Krise. Durch seinen täglichen Podcast im öffentlich-rechtlichen NDR ist der Institutsdirektor an der Berliner Charité inzwischen in ganz Deutschland bekannt und wird als die Instanz schlechthin gehandelt.

Wie die Bild zuvor berichtet hat, soll sich die Kanzlerin angeblich intern über die Wankelmütigkeit Drostens geärgert haben. Die Zeitung erwähnt in diesem Zusammenhang als Beispiel Drostens Aussage, die Bundespolizei sollte lieber für Pensionisten einkaufen, als die Exekutive an die Grenze zu schicken, zitiert haben. Zwei Tage später war Drosten dann doch für die Grenzschließung eingetreten.

Spread of the coronavirus disease (COVID-19) in Berlin

Widersprüchliche Aussagen

Auch Drostens aktuelle Aussagen zur möglichen Ansteckungsgefahr durch Kinder - der KURIER berichtete - soll die Kanzlerin kritisiert haben.

Und die sind tatsächlich schwer zu verstehen: In einer am späten Mittwochabend veröffentlichten 19-seitigen Studie warnten Drosten und sein Team, Kinder seien vermutlich genauso ansteckend wie Erwachsene.

Die Zahl der Viren, die sich in den Atemwegen nachweisen lasse, unterscheide sich bei verschiedenen Altersgruppen nicht, zitierte Drosten aus dem wissenschaftlichen Paper. Auf Twitter verband er damit auch gleich eine Empfehlung an die Politik: "Auf Basis dieser Resultate warnen wir in der gegenwärtigen Situation vor einer uneingeschränkten Wiedereröffnung von Schulen und Kindergärten. Kinder könnten genauso infektiös sein wie Erwachsene."

Allerdings wies er wenig später - ebenfalls via Twitter - auf eine weitere Studie hin, die einen anderen Schluss nahelegt. Unter Berufung auf eine Studie, die im renommierten Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht worden war, berichtete Drosten im NDR davon, dass Kinder und Erwachsene offenbar ein unterschiedlich großes Ansteckungsrisiko haben: Kinder seien - stark vereinfacht gesagt - nur ein Drittel so anfällig wie Erwachsene dafür, infiziert zu werden, bilanzierte der Wissenschaftler. 

Kein Warten auf "abgestimmte Meinung der Wissenschaft"

Auch in Deutschland wird die Öffnung der Schulen und Kitas aktuell kontrovers diskutiert. Vor allem Armin Laschet, Ministerpräsident im weniger betroffenen Nordrhein-Westfalen, tritt für eine baldige Öffnung ein. Nachdem am Donnerstag weitgehende Lockerungen etwa bei Gottesdiensten, Zoos oder Musseen verkündet wurden, gibt es aktuell aber noch keine Einigung beim Thema Schulen und Kitas. Nur in einigen Ländern haben ältere Jahrgänge wieder die Klassen bezogen bzw. schreiben ihre Abitur-Prüfung.

Merkel soll dazu angeblich im kleinen Kreis gesagt haben, man könne hier jetzt nicht mehr auf eine abgestimmte Meinung der Wissenschaft warten: "Wir müssen anfangen mit der Perspektive für die Familien", zitiert die Bild sie.

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