Sterbehilfe-Gesetz: "Frage wird noch einmal vor dem VfGH landen“
Michael Lysander Fremuth ist Professor für Grund- und Menschenrechte an der Universität Wien und wissenschaftlicher Direktor des Ludwig Boltzmann-Instituts.
KURIER: Menschen- und Grundrechtsexperten wurden nicht zum Dialogforum zur Sterbehilfe eingeladen. Wie ist Ihre Position zu dem Thema?
Michael Lysander Fremuth: Ich habe da eine eher liberale Grundhaltung und glaube, dass die auch in den Erkenntnissen des VfGH abgebildet wird. Der Einzelne entscheidet über die Vorstellung, was ein würdevolles Leben, aber auch einen würdevollen Tod ausmacht. Der VfGH sagt ausdrücklich, es gibt keine Pflicht zu leben. Und er ergänzt, es ist nicht Aufgabe des Staates, den Einzelnen vom frei gewählten Suizid abzuhalten. Das sind bemerkenswerte Aussagen. Das ist die Anerkennung, dass es auch ein Grundrecht auf Suizid gibt. Das Gericht geht noch weiter: Es kann Situationen geben, in denen es für ein würdevolles Sterben die Hilfe Dritter braucht – von Leuten, die Ahnung haben, wie man es macht. Das klingt wenig empathisch. Aber bevor sich jemand auf die Gleise legt, von der Brücke springt oder einen Medikamentencocktail bastelt, der extremes Leid verursacht, ist es im Sinne eines würdevollen Sterbens, dass es entsprechende Einrichtungen gibt.
Wo müssen Grenzen gesetzt werden?
Dort, wo eine autonome Entscheidung gefährdet ist. Das können ökonomische, soziale und familiäre Situationen sein. Niemand darf von Angehörigen in den Suizid genötigt werden. Niemand soll das Gefühl haben, er fällt den Leuten zur Last und deshalb gibt es eine gesellschaftliche Erwartung, sich für den Suizid zu entscheiden. Es muss der freie Wille sein.
Wer soll Sterbehilfe leisten dürfen?
Die Vertreter der Ärzteschaft sagen: auf keinen Fall. Ich halte das für wenig glücklich. Keine Ärztin und kein Arzt kann dazu gezwungen werden, Suizid-Assistenz zu leisten. Man muss aber einen Raum schaffen für Ärzte, die sagen: Ich möchte das unterstützen. Und dann gibt es noch die Sterbehilfe-Vereine. Wobei diese Einrichtungen nicht mit Gewinnabsicht agieren sollten. Ökonomische Interessen könnten hier autonomiegefährdend sein.
Wo sind die Hürden, um einen rechtlichen Rahmen zu definieren?
Die erste Schwierigkeit ist, das VfGH-Erkenntnis zu interpretieren. Im Bereich der palliativmedizinischen Versorgung muss ein Zugang für jeden möglich sein. Weiters muss man ein Schutzkonzept entwickeln, das die verschiedenen Gefahren abbildet. Man muss fragen: Wie geht man mit Angehörigen um, wie verhält es sich mit ökonomischem Druck? Sollen Sozialversicherungsträger die Kosten übernehmen? Wie kann man sicherstellen, dass Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen niemals auf die Idee kommen, zu sagen, wir sparen uns so Kosten?
Ihre Einschätzung: Wie restriktiv oder liberal wird die Regelung ausfallen?
Meine Vermutung ist, dass man sich eher um einen restriktiven Zugang bemühen wird. Ich denke, die Frage wird dann noch einmal vor dem VfGH landen.
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