Zwei Jahre Giorgia Meloni: Eine Wölfin im Schafspelz?
aus Mailand Andrea Affaticati
Als am 22. Oktober 2022 die Rechts-Mitte-Koalition in Italien die Regierung übernahm, warnten die politischen Gegner im Inland vor einer "Orbánisierung"; das Ausland fragte, wie sich Rom von nun an in Sachen EU, Ukrainekrieg und NATO positionieren werde.
Seit zwei Jahren regiert Giorgia Meloni, Vorsitzende der postfaschistischen Partei Fratelli d’Italia, als erste Ministerpräsidentin in der Geschichte Italiens. Koalitionspartner sind der zunehmend radikalere Matteo Salvini der Lega und Antonio Tajani von der moderaten Forza Italia.
Die Sorge des Auslands machte sich daran fest, dass Brüssel für Meloni und Salvini in der Vergangenheit eine beliebte Angriffsfläche war, während Russlands Präsident Wladimir Putin ein gewisses Ansehen in allen drei Parteien genoss. Meloni aber wusste, diese Sorgen schnell zu zerstreuen. Sie positionierte Italien ohne Wenn und Aber an der Seite der Ukraine und der NATO, und baute eine gute Beziehung zu EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf, die sich trotz mancher Unstimmigkeit bis heute bewährt hat.
Dahinter steckten auch wirtschaftliche Interessen: Italien brauchte dringend die knapp 200 Milliarden Euro Hilfsgelder, die dem Land nach der Pandemie genehmigt wurden. Gleichzeitig muss das Land seinen horrenden Schuldenberg, der fast 140 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beträgt, abbauen, wie es im EU-Stabilitätspakt steht, der auch von Italien unterschrieben wurde.
Im Wahlkampf hatte die Opposition vor dem Abdriften in eine illiberale Demokratie gewarnt, vor einer "Orbánisierung", sollte die Rechte an die Macht kommen. Immerhin würden Meloni und Salvini gute Beziehungen zum ungarischen Premier Viktor Orbán pflegen und dessen Abbau der Justiz, Pressefreiheit und Zivilrechte bewundern, hieß es.
Seit ihrem Amtsantritt hat sich die Rechtspopulistin Giorgia Meloni, die einst mit der Enkelin des Diktators Mussolini auf einer Bühne Wahlkampf machte, an die EU-Partner angenähert und von ihrem Euroskeptizismus abgewandt. Die Solidarität mit der Ukraine hat ihr Glaubwürdigkeit bei den westlichen Ländern eingebracht, zuletzt merkbar beim G-7-Gipfel, den Italien im Sommer ausrichtete. Auch in der Migrationsfrage ist sie mit Brüssel auf einer Linie. Dahinter stecken auch wirtschaftliche Interessen: 200 Milliarden Euro Hilfsgelder erhielt Italien nach der Pandemie – mehr als jedes andere EU-Land.
"Giorgia" reicht
Um diese Warnungen zu entkräften, initiierte Meloni ein Videotreffen mit den Bürgern, dass sie "Agenda Giorgia" nannte. Auf Facebook sah man sie mit einem Tagebuch in der Hand, aus dem sie die Ereignisse der Woche erläuterte. Mittlerweile ist dieses Treffen in Vergessenheit geraten, Videobotschaften sendet sie aber weiter. Zu den Medien pflegt nämlich Meloni keine gute Beziehung, Interviews gibt sie nur den regierungsaffinen. Pressekonferenzen sind dagegen immer rarer geworden.
Viel wichtiger ist es ihr, Bürgernähe zu zeigen. Kurz vor den EU-Wahlen forderte sie die Italiener auf, nur "Giorgia" auf den Wahlzettel zu schreiben.
Viel Lärm wegen nichts? Dem widerspricht die Politologin Nadia Urbinati. Die Zivilrechte seien von der Regierung massiv beschnitten worden: "Für diese Regierung gibt es keine Universalrechte, sondern nur Rechte, die sie jenen, die ihr wohlgesonnen sind, vergibt." Urbinati weist auf die vielen Verbotsverordnungen der vergangenen zwei Jahre hin: Gleichgeschlechtliche Paaren mit Kindern dürfen sich nicht beide als Elternteile registrieren; Rave-Partys sind verboten, genauso wie friedliche Sitzproteste. Strafbar ist auch, wer diese Aktionen sogar nur von außen unterstützt.
Hart im Umgang und Ton
Und dann ist da das heiß umkämpfte Thema Schwangerschaftsabbruch. Beim G7-Gipfel im Sommer verhinderte Meloni in der Abschlusserklärung ein Bekenntnis zu diesem Recht. In Italien werden Frauen, die sich für einen Abbruch entscheiden und zum verpflichtenden Beratungsgespräch gehen, von "Pro-Vita"-Anhängern unter Druck gesetzt.
Geändert hat sich auch die Rhetorik. Bei Meloni wurde der Ton zunehmend härter, schneidender, herrischer. Bei ihren Regierungsmitgliedern ist es nicht selten die Wortwahl, die für Empörung sorgt. So bezeichnete Innenminister Matteo Piantedosi eine Gruppe von Migranten auf einem Rettungsschiff "Restladung"; ein Politiker aus Melonis Partei verkündete wiederum: "Wir sind an Öfen" gewöhnt (er verwendete die Bezeichnung "Forni", die im Italienischen auch Gaskammern bedeutet); Francesco Lollobrigida, Landwirtschaftsminister und Schwager von Meloni, warnte vor einem "ethnischen Austausch". Alles nur unbedeutende Zwischenfälle, heißt es aus der Regierung.
Auch dem widerspricht Urbinati: "Wer glaubt, dass Begriffe, die einst tabu waren und heute Umgangssprache geworden sind, in der Gesellschaft nichts bewirken, der irrt." Nicht nur große Schritte können zu gefährlichen Veränderungen im gesellschaftlichen Umgang führen.
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