Warum Giorgia Meloni lieber über Macht in Europa als über Schulden in Italien redet
Sie macht es hinter den Kulissen in Brüssel deutlich - und wenn das nicht gleich hilft, dann auch gerne vor den Kulissen. "Diese Wahlen haben Europas Schwerpunkt nach rechts verschoben", erklärte Giorgia Meloni am Mittwoch vor der Presse und zog auch gleich ihre Schlussfolgerungen daraus: "Einen höchstrangigen Posten für Italien bei der EU."
Forderungen beim Abendessen
Genau den hatte Italiens Premierministerin am Montag auch von ihren 27 Amtskollegen und den EU-Spitzenvertretern gefordert, bei einem informellen Abendessen in Brüssel, bei dem es um die neue Machtverteilung in Brüssel ging. Meloni ist überzeugt, in diesem Spiel mit sehr guten Karten unterwegs zu sein. Schließlich hat sie sich - anders als etwa Olaf Scholz in Berlin, oder Emmanuel Macron in Paris - als amtierende Regierungschefin bei den EU-Wahlen ausgezeichnet geschlagen und mit ihren Fratelli d'Italia mit großem Vorsprung Platz eins erreicht. Außerdem hat sie geduldig gute Beziehungen zur alten und voraussichtlich auch nächsten Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufgebaut.
Im letzten Moment gescheitert
Doch Melonis Forderungen passten nicht so recht in die politische Menüfolge beim Brüsseler Abendessen. Schließlich hatte die Europäische Volkspartei EVP - der große Sieger der EU-Wahl - geplant, den eigenen Anteil an den Spitzenposten - neben der Kommissionschefin noch ein bisschen auszubauen - und den bisherigen politischen Partnern, den Sozialdemokraten und den Liberalen, ihren wenn auch deutlich beschnittenen Anteil an der Macht zuzugestehen. Eine Zusammenarbeit mit Meloni und den Fratelli d'Italia, die lag vor allem für die Sozialdemokraten deutlich jenseits der roten Linie. Die Italienerin aber sah nicht ein, warum sie bei dem Deal außen vor bleiben sollte.
Schuldenkrise als Gefahr für den Euro
Die Folge: Aus der eigentlich schon fix für diesen Abend geplanten Einigung auf die EU-Spitzenposten wurde nichts. Das Tauziehen geht also mindestens bis zum EU-Gipfel nächste Woche weiter. Meloni aber stellt unterdessen unüberhörbar Überlegungen an, wie man im EU-Parlament eine rechte Mehrheit zustande bringen könnte, oder zumindest einen rechten Block, der mehr politisches Gewicht als bisher hätte: Mit den Fratelli d'Italia und damit Meloni in einer Schlüsselrolle. Doch so sehr die Regierungschefin derzeit die Stabilität ihrer Regierung und die wirtschaftliche Dynamik Italiens betont, die eindrucksvollen Wachstumszahlen des Landes stehen auf sehr losem Grund. Deutlich wurde das durch die jüngste Verwarnung Italiens durch die EU-Kommission. Die stellte zwar gleich sieben Länder - darunter auch Frankreich - wegen ihrer Staatsschulden an den Pranger, doch Italien steht in dieser Schuldnerliga einsam an der Spitze. Mit fast 140 Prozent Schuldenquote (zum Vergleich: Österreich hat 71 Prozent) muss Italiens für neue Staatsanleihen nicht nur ständig mehr Zinsen zahlen, sondern droht wieder einmal zur Gefahr für den Euro zu werden.
Schwächen der Demokratie
Außerdem sollte in Rom in diesen Tagen eine weitere unangenehme Botschaft aus Brüssel eintreffen: Ein aktueller Bericht der EU-Kommission über den anscheinend traurigen Zustand der Medienfreiheit in Italien. Die Regierung würde mit wachsender Härte gegen kritische Journalisten vorgehen und außerdem versuchen, das öffentlich-rechtliche Fernsehen RAI unter Kontrolle zu bekommen. Auch eine geplante, grundlegende Reform des politischen Systems, die dem Ministerpräsidenten mehr und dem Staatspräsidenten weniger Macht geben soll, missfällt vielen politischen Beobachtern in Brüssel. Der Bericht über die Medienfreiheit jedenfalls verzögert sich, voraussichtlich, bis die Entscheidungen über die Machtverteilung in Brüssel gefallen sind. EU-Kommissionschefin Von der Leyen, so will die Nachrichtenplattform "Politico" erfahren haben, wolle es sich mit Meloni lieber nicht verderben.
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