Warum der Papst erstmals beim G7-Gipfel dabei ist - und für Streit sorgt
Der G7-Gipfel ist eine Art Klassentreffen der mächtigsten westlichen Regierungschefs: Joe Biden (USA), Fumio Kishida (Japan), Emmanuel Macron (Frankreich), Olaf Scholz (Deutschland), Rishi Sunak (Großbritannien), Justin Trudeau (Kanada) - sie alle waren am Donnerstag an den Südzipfel des italienischen Stiefels gereist, wohin die diesjährige Gastgeberin Giorgia Meloni (Italien) zum zweitägigen Gipfeltreffen geladen hatte.
Der Donnerstag hatte zunächst ganz im Zeichen des Ukraine-Kriegs gestanden. Bei intensiven Verhandlungen einigten sich die europäischen Regierungschefs mit US-Präsident Biden auf ein weiteres, voraussichtlich in den nächsten Monaten fertiggestelltes Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar. Am Abend stieß dann auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij als Ehrengast dazu.
Die G7 waren einst, zur Zeit ihrer Gründung, die Gruppe der sieben größten Industrienationen. Heute finden sich zwar alle Mitglieder nach wie vor in den Top 10 wieder, doch Russland (Platz 8), Indien (Platz 5) und allen voran China (Platz 2) sind schon lange in die Riege der mächtigsten Volkswirtschaften vorgestoßen. Würde man die USA herausnehmen, liegt das BIP der restlichen sechs G7-Staaten zusammengenommen nur knapp über jenem Chinas.
Was also verbindet die G7 bis heute? Aus der Sicht ihrer Mitglieder sind es gemeinsame, westliche Werte, wie sich nicht zuletzt an der Unterstützung für die Ukraine zeigt. Deshalb sind als Vertreter der EU auch stets Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel als Gäste eingeladen. Deshalb darf seit Beginn der russischen Invasion in der Ukraine Selenskij regelmäßig mit am Tisch sitzen.
Dazu werden immer wieder Gäste zu sogenannten "Outreach-Sitzungen" eingeladen, um mit den G7-Mitgliedern über bestimmte Themen zu sprechen. In der Vergangenheit waren das häufig andere Regierungschefs wie Indiens Premierminister Narendra Modi oder der ehemalige australische Premier Scott Morrison, aber auch Führungspersonen internationaler Organisationen wie Kristalina Georgiewa (IWF) oder Tedros Adhanom Ghebreyesus (WHO).
Zum ersten Mal ist ein Papst dabei - das sorgt für Kritik
Dieses Jahr sorgt der Stargast im süditalienischen Apulien jedoch für Diskussionen: Meloni hat zum ersten Mal überhaupt mit Papst Franziskus ein religiöses Oberhaupt zum G7-Gipfel geladen. Der Papst reist am Freitag gegen Mittag per Hubschrauber aus dem Vatikan an und soll mit den anwesenden Politikern über die Chancen und Risiken Künstlicher Intelligenz sprechen. Anschließend nimmt er Einzelgespräche wahr, unter anderem mit Selenskij.
Schon im April hatte Meloni mit der Ankündigung überrascht, den Papst einladen zu wollen, um seiner Sicht zur "Ethik der Algorithmen" Raum zu geben. Im Ausland erntete Meloni dafür Kritik, schließlich sind bei Weitem nicht alle G7-Mitgliedsstaaten mehrheitlich katholisch: In Großbritannien und Kanada gibt es mehr Evangelische, in den USA und Deutschland liegen Katholiken nur knapp vorn und in Japan spielt das Christentum kaum eine Rolle.
Ärger um von der Agenda gestrichenes Abtreibungsrecht
Am Freitag sorgte der Besuch des Papstes dann auch prompt für politischen Ärger: In der vorläufigen Abschlusserklärung, die den Gipfelteilnehmern am Vormittag vorgelegt wurde, fehlte plötzlich ein Bekenntnis zum Recht auf Abtreibung, auf das sich die Teilnehmer erst vor einem Jahr beim G7-Gipfel im japanischen Hiroshima geeinigt hatten.
Italiens Landwirtschaftsminister Francesco Lollobrigida, ein Parteifreund Melonis, rechtfertigte das in italienischen Medien mit dem Hinweis darauf, dass der Papst ja anwesend sei. Erst Anfang April hatte Franziskus in einer Grundsatzerklärung Schwangerschaftsabbrüche kritisiert: "Über sich selbst verfügen zu wollen, bedeutet nichts anderes, als der uralten Versuchung des Menschen nachzugeben, sich selbst zu Gott zu machen."
"Ich bedaure, dass im endgültigen Text der G7-Erklärung das Wort Abtreibung nicht vorkommt", erklärte Emmanuel Macron deshalb aufgebracht vor italienischen Journalisten. "Sie kennen die Position Frankreichs, das das Recht auf Abtreibung in die Verfassung aufgenommen hat. Es gibt nicht die gleiche Sensibilität wie in Ihrem Land."
Tatsächlich gibt es in Italien zwar seit 1978 ein Gesetz, das Abtreibungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten erlaubt, doch gerade im ländlichen Raum weigern sich viele katholische Ärzte, die Eingriffe durchzuführen; selbst in Krankenhäusern. Macron meinte deshalb weiter: "Frankreich hat eine Vision der Gleichstellung von Mann und Frau, die nicht überall geteilt wird. Es tut mir leid, aber ich respektiere es."
Meloni reagierte noch vor der Ankunft des Papstes mit einem Gegenangriff: "Es gibt keinen Grund, über Themen zu polemisieren, über die wir uns schon lange einig sind", so die 47-Jährige, die mit Blick auf die von Macron ausgerufenen Neuwahlen in Frankreich nachsetzte: "Und ich halte es für grundfalsch, in schwierigen Zeiten wie diesen ein so wertvolles Forum wie dieses für eine Wahlkampagne zu nutzen."
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