Streit zwischen EU-Chefs und Biden: "Wir sind vielleicht dumm, aber nicht so dumm"
Bidens Kabinett hatte in den vergangenen Tagen einen Plan präsentiert, wie schon in den nächsten Monaten ein neues Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar aufzustellen wäre, noch vor der US-Wahl, aus der Donald Trump als Sieger hervorgehen und der Ukraine künftig die Hilfe entsagen könnte.
Für Bidens Plan bräuchten die USA aber Zugriff auf die Zinsen des infolge der Sanktionen in mehreren westlichen Staaten eingefrorenen russischen Vermögens. Insgesamt liegen heute noch rund 215 Milliarden Dollar an solchen russischen Geldern in Europa, rund 60 weitere Milliarden in Großbritannien.
Dieses Geld darf zwar nicht direkt enteignet werden, weil das internationalem Recht widersprechen würde. Rechtsexperten gehen jedoch davon aus, dass es sehr wohl rechtens wäre, die darauf anfallenden Zinsen abzuschöpfen. In der Vergangenheit hat sich die EU deshalb schon bereit erklärt, diese Zinsen - rund 3,5 Milliarden Euro jährlich - für die Ukraine als Hilfszahlungen bereitzustellen.
Aus Sicht der Ukraine ist das jedoch zu wenig Geld in zu langen Abständen, um im Krieg eine echte Hilfe zu sein. Bidens Vorschlag lautet daher: Die US-Regierung nimmt sofort einen 50-Milliarden-Dollar-Kredit auf, der mithilfe der jährlichen Zinsen auf das eingefrorene russische Vermögen zurückgezahlt werden soll.
In Europa ist man über diesen Vorschlag richtig sauer. "Wir sind vielleicht dumm, aber so dumm sind wir auch nicht", zitiert das renommierte US-Magazin Politico einen in die Verhandlungen involvierten EU-Diplomaten.
Wer haftet, wenn das russische Geld freigegeben werden muss?
Denn der Vorschlag birgt erhebliche Risiken für europäische Staaten. Schließlich gibt es theoretisch einige Möglichkeiten, wie das russische Geld wieder freigegeben müsste - und wer zahlt dann den Kredit ab? Die Vermögen sind nur so lange eingefroren, wie die westlichen Sanktionen gegen Russland gelten.
Sollte sich also künftig ein EU-Mitgliedsstaat - der Hauptverdächtige heißt Ungarn - gegen eine Verlängerung der Sanktionen stemmen, müssten die Milliarden wieder freigegeben werden. Auch bei einer möglichen Friedensvereinbarung zwischen Russland und der Ukraine wäre das der Fall.
Laut dem US-Vorschlag sollen alle unterzeichnenden Staaten entsprechend dem Anteil der in ihrem Land eingefrorenen russischen Vermögen für den Kredit haften. Also die Briten und die Europäer, denn in den Vereinigten Staaten liegt heute noch kaum russisches Geld. "Wenn dieser Vorschlag umgekehrt eingebracht wäre, würden die Amerikaner sagen, wir sind verrückt", kommentiert der aufgebrachte EU-Beamte in Politico.
Die USA argumentieren, dass die Entscheidung über den Kredit ansonsten im US-Kongress abgestimmt werden müsste, wenn Washington selbst dafür haften würde. Und dann, so die Befürchtung des Biden-Kabinetts, würden Trumps Republikaner eine Abstimmung bis nach der Wahl hinauszögern, wodurch das Hilfspaket für die Ukraine womöglich niemals zustande käme.
Laut französischen Diplomaten steht eine Einigung unmittelbar bevor
In den nächsten Tagen dürfte unter der mediterranen Sonne noch heftig über die Umsetzung des Kredits diskutiert werden. Zumal das Geld auch für den Wiederaufbau der Ukraine verwendet werden soll - und Biden und die Europäer auch darüber im Streit liegen, wer diesen Wiederaufbaufonds verwaltet. Die Weltbank, so die Sorgen der deutschen und französischen Regierung, handle zu sehr im Interesse der USA und würde US-Firmen bevorzugen.
Schon am Donnerstag soll man sich aber deutlich näher gekommen sein, wie aus dem Umfeld Emmanuel Macrons zu hören war: "Es gibt eine Einigung." Bidens nationaler Sicherheitsberater, Jake Sullivan, drückte dagegen vorerst noch auf die Bremse: "Wir haben die wichtigsten Eckpunkte vereinbart. Aber einige Details müssen noch von Experten nach einem festgelegten Zeitplan ausgearbeitet werden."
Sollte die Einigung am Freitag verkündet werden, hätte das wohl eine besondere Signalwirkung. Da fliegt schließlich auch der ukrainische Präsident Wolodimir Selenskij zum Gipfel. Ob er Meloni dann ebenfalls mit Wangenküsschen begrüßt?
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