Macron denkt groß
Angestoßen hat diese neue "Gemeinschaft" zwischen dem ganzen Kontinent und seiner östlichen Nachbarschaft Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Die Idee dahinter: Wenn Europa seine X-Large-Größe nutzt, wird die Schlagkraft gegen Putin größer.
Gastgeber Petr Fiala, Tschechiens Premier, erinnerte in seiner Eröffnungsrede an den Prager Frühling 1968. Schon damals habe Moskau mit seinen Panzern die Hoffnungen auf mehr Freiheit zunichtegemacht. "Es ist schwer, dem Bösen ins Auge zu blicken, aber die Wahrheit wird siegen", sagte Fiala. "Wir wissen alle in unseren Herzen, dass die Ukraine gewinnen wird, weil die Wahrheit auf ihrer Seite ist."
Die britische Premierministerin Liz Truss brachte wiederum die Botschaft mit: Das Vereinigte Königreich sieht sich weiter als europäisch – aber mit neuen europäischen Strukturen will Truss absolut nichts zu tun haben. Und so war auch hinter den Kulissen des Gipfels gestern zu hören: Europa brauche keine neue Institution – für alles, was in Prag besprochen wurde, könne man auch den in Straßburg tagenden Europarat entstauben. Dem Vernehmen nach soll ein nächster Gipfel dieser Art in einem halben Jahr in der Republik Moldau stattfinden.
Bild ohne Kanzler
Dann sollte auch ein österreichischer Regierungschef auf solch einem historischen Bild mit dabei sein – anders als dieses Mal. Denn erst mit erheblicher Verspätung stieß Kanzler Karl Nehammer zum Treffen. Er hatte die Pressekonferenz zum österreichischen Heeresbudget dem europäischen Gipfel vorgezogen. Als Nehammer schließlich eintraf, saßen die anderen Staats- und Regierungschefs bereits in jenem geschichtsträchtigen Saal der Prager Burg, in dem vor rund 150 Jahren Franz Joseph zum König von Böhmen hätte gekrönt werden sollen. Geschehen ist das nie – Ungarn hatte sein Veto eingelegt. Gestern kam von niemand ein Veto: Die neue "Europäische Politische Gemeinschaft" verpflichtet keinen Staat zu irgendetwas.
Umso kontroverser dürfte es heute beim eigentlichen EU-Gipfel der 27 EU-Staats- und Regierungschefs zugehen. Polens Premier Morawiecki zeigte schon gestern, dass die zelebrierte europäische Harmonie nicht weit reicht: "Es kann nicht sein, dass die Energiepolitik der EU von Deutschland diktiert wird." Polen und 14 weiterer EU-Länder fordern einen Preisdeckel für Gasimporte – eine Maßnahme, die Österreich und Deutschland kategorisch ablehnen.
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