Hehre Ziele für das bedrängte Europa, aber zu viel Pathos
Wie sehr sich die Tonlage doch geändert hat: Ein Jahr ist es her, dass EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Europa bei ihrer damaligen „Rede zur Lage der Union“ pathosgetrieben und geradezu euphorisch auf die Veränderungen durch den Umstieg auf eine nachhaltige Wirtschaft und die Segnungen der Digitalisierung eingeschworen hat.
Ein Jahr später ist in Ursula von der Leyens Lage-Rede wohl noch immer Pathos zu vernehmen. Aber das bezog sich am Mittwoch nur noch auf den Verteidigungskampf der Ukraine und „Putins Spur des Todes und der Vernichtung“.
Dieses vergangene Jahr, speziell der Beginn des russischen Krieges gegen die Ukraine, hat die EU radikal verändert. Plötzlich liefert die EU einem kriegsführenden Land Waffen. Plötzlich werden Sanktionen gegen Russland verhängt, die auch tief ins eigene Fleisch schneiden. Und plötzlich ist erlaubt, mehr noch: gewünscht und gefordert, was bisher in der freie Marktwirtschaft predigenden EU ein absolutes Tabu war: In eben diesen freien Markt wird jetzt eingegriffen, als hätte Karl Marx die Maßnahme höchstpersönlich erfunden. Übergewinne von Konzernen – die also ohne eigenes Zutun hundertfache Millionenprofite machen –, sollen vom Staat abgeschöpft werden. An die 140 Milliarden Euro sollen so EU-weit zusammenkommen und dann an die Verbraucher in Europa umverteilt werden. Vor einem Jahr noch hätten sich alle Parteien rechts der Sozialdemokratie nur an den Kopf gegriffen. Wobei zu erwähnen ist: Selbst die USA haben in besonderen Krisenzeiten Zufallsgewinne von Konzernen abgeschöpft – zuletzt 1980, als Ölkonzerne nach einem starken Preisanstieg Milliardenprofite erzielten.
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