In seinem hybriden Krieg gegen die EU hat Weißrusslands Machthaber Aleksander Lukaschenko seinen Ton abermals verschärft, droht im Fall weiterer Sanktionen mit einem Stopp der Gaslieferungen: „Wir versorgen Europa mit Wärme, aber sie drohen damit, die Grenze zu schließen. Und was ist, wenn wir dort das Erdgas abstellen? Deshalb würde ich der polnischen Führung, den Litauern und anderen hirnlosen Personen empfehlen, nachzudenken, bevor sie sprechen“, höhnte er.
Lukaschenko lässt seit Monaten Flüchtlinge und Migranten aus Afrika und dem Nahen Osten in sein Land einfliegen und an die polnische sowie litauische Grenze bringen. Tausende versuchen derzeit, die Grenze nach Polen zu überqueren und nach Deutschland zu gelangen. Die EU hat deshalb am Montag weitere Sanktionen gegen das autoritäre Regime in Minsk angekündigt. Doch Lukaschenko ist nicht der Erste, der Migranten als „Waffe“ missbraucht, um auf die EU politischen Druck auszuüben.
Erst im Mai hatten binnen zwei Tagen an die 9.000 Menschen von Marokko aus schwimmend die spanische Exklave Ceuta erreicht. Auf Befehl der Führung des Landes hatten die Grenzwächter die Tore geöffnet und weggeschaut. Das Königreich hatte sich damals über Spanien geärgert, weil es einen Politiker aus der (von Marokko beanspruchten) Westsahara zur Behandlung einer Erkrankung nach Madrid geflogen hatte. Wie schon mehrmals zuvor hat Marokko damit Spanien spüren lassen: Man respektiere Abkommen, bewache Grenzen und halte Migranten zurück – aber nur, wenn es den eigenen Interessen dient.
Auch der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan droht gerne Richtung EU damit, die Grenzen aufzumachen und Migranten nach Europa zu schicken. Für Schockwellen sorgte er kurz vor Ausbruch der Corona-Pandemie in Europa. Anfang März 2020 karrten zahlreiche Busse Tausende Flüchtlinge und Migranten an die Grenze zu Griechenland. Dort saßen sie tagelang ohne Unterkunft, Essen, Medizin und ohne Hoffnung fest, es doch noch in die EU zu schaffen. Mit Schlagstöcken, Blendgranaten und Stacheldraht wehrten griechische Grenzschützer und Soldaten die Migranten ab.
Und erhielten dafür die Zustimmung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: „Ihr seid der Schild Europas“, lobte sie den Einsatz zum Schutz der EU-Außengrenze. Was Erdoğan damals erreichen wollte: Die Verlängerung des EU-Flüchtlingsdeals – aber auch mehr Geldmittel, die nicht von der EU, sondern von der türkischen Regierung zur Versorgung der Flüchtlinge verwaltet werden sollten.
Libyens Küstenwache
Eine heikle Zusammenarbeit, die zeitweise in Richtung Erpressung der EU führt, ist die Kooperation Europas mit der libyschen Küstenwache. Seit fünf Jahren werden frühere Milizionäre mit EU-Geldern dafür ausgebildet und ausgestattet, Migranten nicht übers Mittelmeer nach Europa fahren zu lassen. Besonders Italien bekommt es zu spüren: Steigen die Ankünfte von Migranten wieder deutlich an, fliegen Roms Politiker nach Libyen und loten die Forderungen aus Libyen aus.
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