Orbán bei Nehammer: Viel Freundschaft und ein paar Streitpunkte

Orbán bei Nehammer: Viel Freundschaft und ein paar Streitpunkte
Die beiden Regierungschefs betonten Gemeinsamkeiten, doch bei den Russland-Sanktionen scheiden sich die Geister. Auch Orbáns Sager zur "Rassenvermischung" war Thema.

Etwas steif war der Empfang dann doch: Ein fester Händedruck, aber kein freundschaftlicher Klaps auf die Schulter, wie es Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) bei Selenskij oder Klitschko getan hatte.

Pünktlich um elf stieg Viktor Orbán auf dem Ballhausplatz aus seinem Auto. Mit einer Riege an Ministern, darunter der Staatssekretär Gergely Gulyas und den Außenminister, Péter Szijjártó, besuchte er sein österreichisches Pendant.

Das erste bilaterale Treffen zwischen den Regierungschefs war im Voraus überschattet worden von einem eindeutig rassistischen Sager Orbáns vor wenigen Tagen, der sogar für den Rücktritt einer langjährigen Beraterin sorgte. Nehammer hätte es besser wissen müssen, sagen die einen. "Die terminliche Kollision ist einfach Pech", sagen die anderen.

 

Orban in Wien

Neben die österreichischen Journalisten drängten sich ungarische, und zwar von beiden Seiten - regierungsnahe und regierungskritisch. "Vielleicht spricht er heute mit uns", meinte ein Journalist von der regierungskritischen Zeitung Népszava. "Bei uns daheim tut er das ja nicht."

Zu früh gefreut: Für die ungarischen Medien sprach das ungarische Staatsfernsehen MTV. 

Vor dem Besuch hatte Nehammer betont, Orbán auf dessen Aussage über die ungarische Ablehnung von "Gemischtrassigkeit" ansprechen zu wollen. Das geschah dann nur sehr allgemein: Österreich sei sich seiner Schuld der Vergangenheit bewusst und stehe gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus. Orbán hingegen meinte, er sei missverstanden worden: Er sei in seiner umstrittenen Aussage auf kulturelle Unterschiede eingegangen, nicht auf biologische.

Fragerunde

Nehammer betonte die unterschiedlichen Positionen zwischen Österreich und Ungarn – etwa Atomenergie – vor den Gemeinsamkeiten. Von denen gab es überraschend viele: Skepsis gegenüber den Sanktionen, das wirtschaftliche Interesse an einer guten Nachbarschaft, und allen voran die Migration. Gemeinsam mit Serbien plane man ein Treffen aller drei Länder. Migration sei in den vergangenen Monaten wieder stark angestiegen, bestätigte Nehammer, 31.000 Asylanträge seien seit Anfang Jänner gestellt worden. Dazu kämen rund 80.000 Anträge von Flüchtlingen aus der Ukraine.

Klare Worte

Orbán machte noch nie einen Hehl daraus, wie er zu Migration stehe. Und tat es auch am Donnerstag nicht: "Ich sage ganz klar: Ich bin kein Politiker der Zuwanderung. Ich stelle mich klar dagegen. Das ist keine rassistische Frage für uns, sondern eine kulturelle."

In der Migrationsfrage seien Ungarn und Serbien "die Kapitäne an Bord"; Ungarn sei sein eigener Chef, "nicht Brüssel".

Kritik an EU-Gasnotfallplan

Orbán kritisierte seinerseits grundsätzlich die Sanktionsstrategie der EU gegen Russland als Mittel zur Beendigung des Ukraine-Krieges, und warnte dabei auch vor künftiger Kriegswirtschaft und Rezession. Eine vorgeschriebene Rationierung des Erdgases "ist das erste Zeichen einer Kriegswirtschaft", so Orbán nach einem Treffen mit Nehammer. Wenn der Krieg nicht bald endet, würde das zu einer Rezession und in weiterer Folge zu Massenarbeitslosigkeit in Europa führen, warnte er.

Nehammer stimmte einer Evaluierung der Sanktionsmaßnahmen zwar grundsätzlich zu, meinte aber, dass "der Zeitpunkt noch zu früh" sei. Die Sanktionen gegen Russland würden früher oder später wirken, gab er sich zuversichtlich.

Gleichzeitig gelte aber das Prinzip: "Sanktionen müssen den mehr treffen, gegen den sie gerichtet sind, aber nicht dem mehr schaden, der sie beschließt." Deshalb sei die österreichische Position klar, dass ein Gasembargo wegen der Abhängigkeit der österreichischen und deutschen Wirtschaft vom russischen Gas "nicht möglich" sei, betonte Nehammer. Ein "Kippen" der deutschen Wirtschaft würde nämlich Österreich mitreißen und zu Massenarbeitslosigkeit führen.

Der ungarische Regierungschef betonte seinerseits mit Blick auf den Gas-Notfallplan der EU, dass sein Land sich "nicht freut, wenn uns Rechte weggenommen werden", da bisher die Energiewirtschaft in der Zuständigkeit der EU-Mitgliedsländer stand. "Die europäische Einheit ist aber ebenfalls wichtig, daher nehmen wir das zur Kenntnis und versuchen, es mit möglichst geringem Schaden umzusetzen", so Orbán.

"Gute bilaterale Beziehungen"

Bundeskanzler Nehammer betonte im Vorfeld die "guten bilateralen Beziehungen" mit Ungarn, insbesondere im Zusammenhang mit der Bekämpfung der illegalen Migration und des gemeinsamen Engagements für eine EU-Perspektive des Westbalkans. "Diese bilateralen Kooperationen sind notwendig, weil das europäische Asylsystem nicht mehr funktioniert. Es braucht endlich einen starken Schutz der EU-Außengrenzen und effektive Rückführungen, um den Zustrom nach Europa zu reduzieren und für mehr Sicherheit zu sorgen", so Nehammer laut Aussendung.

Ungarn hatte im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 Zäune an seinen Südgrenzen zu Serbien und Kroatien errichtet und tritt seitdem hart gegen illegale Migration auf. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in den vergangenen Jahren das Land bereits mehrmals wegen seiner Asylpolitik und dem Vorgehen gegenüber Geflüchteten verurteilt.

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