Blauhelme im Libanon: Österreich macht als Letzter zu

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Österreichs UN-Soldaten erleben im Libanon täglich Beschuss. Warum die Mission endet – und was das für Israel und die Hisbollah bedeutet.

„Dass es weiterhin notwendig sein wird, in dieser Region Präsenz zu zeigen, steht nicht nur für mich außer Frage“, sagt Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) vor den angetretenen Soldaten des österreichischen Kontingents im Libanon. 153 Soldatinnen und Soldaten sind dort derzeit im Rahmen der UN-Mission UNIFIL im Einsatz – Ende kommenden Jahres wird sie offiziell beendet sein. Der UN-Sicherheitsrat hat das Mandat nicht mehr verlängert.

Warum die UN-Mission gescheitert ist

Zu wenig Handhabe haben die insgesamt 11.500 Soldaten aus zahlreichen Nationen, wenn es darum geht, das eigentliche Ziel zu verfolgen: Die Entwaffnung der schiitischen Terrormiliz Hisbollah, die sich nach vernichtenden Niederlagen im Krieg gegen Israel langsam, aber sicher wieder aufbaut.

Regelmäßig sind Detonationen zu hören – meist israelische Angriffe auf Stellungen der Hisbollah, die nicht selten in der Nähe von UN-Positionen errichtet werden. Offiziell sollen die Blauhelme unter anderem dafür sorgen, dass niemand außer der libanesischen Armee in diesem Gebiet patrouilliert – und gemäß der UN-Resolution 1701 sollen sie eben die libanesischen Streitkräfte dabei unterstützen, die Hisbollah zu entwaffnen.

Soldaten berichten: "Das Entwaffnen übernehmen die Israelis"

„Das Entwaffnen, das übernehmen de facto die Israelis“, sagt Oberwachtmeister Florian Rauch zum KURIER. Täglich beschießen die Israelischen Verteidigungskräfte (IDF) alles, was mit der Hisbollah zu tun hat – erst am Sonntag töteten sie mit einem gezielten Bombardement im Süden der Hauptstadt Beirut den Stabschef der Organisation.

Das Hauptquartier der Mission liegt zwei Kilometer von der „Blue Line“, der inoffiziellen Grenze zwischen Israel und dem Libanon, entfernt. Auf ersten Blick wirkt der Bereich der Österreicher fast schon beschaulich: gepflegte Unterkünfte, ein Volleyballplatz – doch daneben Bunkeranlagen, sogenannte „Shelter“, in denen die Soldaten bis vor einem Jahr fast täglich Schutz suchen mussten.

Warum der Abzug eine neue Offensive der IDF auslösen könnte

Damals war der Krieg zwischen Hisbollah und Israel am Höhepunkt, drangen IDF-Soldaten über die „Blue Line“ in den Libanon vor. Oberwachtmeister Rauch, der seit Juni im Einsatz ist, ist sich sicher: „Spätestens mit unserem Abzug ist es sehr wahrscheinlich, dass die IDF im Süden des Libanon vorrücken und wohl bis an den Litani-Fluss marschieren werden.“ Eine Einschätzung, die nicht wenige Militäranalysten teilen.

Libanons Plan zur Entwaffnung der Hisbollah – und warum er kaum funktioniert

Und auch jetzt kann von Waffenruhe keine Rede sein. Zwar hat die libanesische Regierung beschlossen, die Hisbollah in einem Fünf-Punkte-Plan zu entwaffnen, wie das gelingen soll, ist jedoch völlig unklar. Zu schwach sind die libanesischen Streitkräfte, zu entschlossen die Hisbollah. Und wohl zu stark der Rückhalt durch die schiitisch dominierte Bevölkerung im Süden des Libanon.

„Ich bin als Fahrer öfters entlang der Blue-Line unterwegs. Man hört etwa, dass die libanesische Regierung Menschen, die ihre Häuser nach israelischem Bombardement verloren haben, ungefähr 600 Dollar für den Wiederaufbau biete. Die Hisbollah hingegen schicke Vertreter, die sich den Schaden genau ansehen, bieten zumeist zwischen 5.000 und 10.000 Dollar auf Raten", sagt Rauch, der in Österreich beim Panzergrenadierbataillon 35 seinen Dienst versieht.

Und nach wie vor rückt die Hisbollah nicht von ihrem Ziel ab, Israel zu vernichten. Dass dies in Jerusalem auf wenig Gegenliebe stößt, zeigt sich täglich: „Das Sirren der Drohnen ist fast immer zu hören, der gegenseitige Beschuss genauso. Im Juni, als der Krieg zwischen dem Iran und Israel seinen Höhepunkt erreichte, sind die iranischen Raketen über unsere Köpfe hinweg nach Israel geflogen. Jetzt sind es vor allem israelische Kampfjets“, sagt Rauch.

Tatsächlich aber müssen die Soldatinnen und Soldaten viel seltener in ihre Shelter. „Seit Juni war das dreimal für mich der Fall“, berichtet Rauch.

Trainings für den Ernstfall – Feuer im Shelter als Szenario

Für den Ernstfall ist das Kontingent vorbereitet: Regelmäßig üben die Soldaten – auch beim Besuch der Verteidigungsministerin. Szenario: Eine Granate hat einen Shelter direkt getroffen, drinnen bricht ein Feuer aus. Soldaten der Camp-Feuerwehr bergen drei verletzte Kameraden, löschen den Brand – die Verletzten werden erstversorgt und sofort weiter ins nächste Krankenhaus gebracht.

Die Handgriffe sitzen, die Abläufe ebenso. Neben der Camp-Feuerwehr stellen die Österreicher unter anderem eine Instandsetzungs- und Bergeeinheit. „Es kann vorkommen, dass die Kameraden fünfmal in der Woche in der gesamten Zone im Einsatz sind“, sagt der Nationale Kontingentskommandant, Major Markus Wappel. Aufgrund all dieser Aufgaben werden die Österreicher irgendwann im Jahr 2027 „als Letzter die Türe zumachen“, wie es Verteidigungsministerin Tanner ausdrückt.

Was nach dem Ende der Mission passieren könnte

Auch wenn die Mission mit Ende 2026 endet – die Rückorganisation dürfte noch dauern. Doch was kommt dann? Auf ihr Eingangsstatement angesprochen, verweist Tanner auf die UN-Beobachtungsmission UNTSO, an der allerdings nur wenige Offiziere als Beobachter teilnehmen.

Einen größeren UN-Einsatz wird es so rasch wohl nicht mehr geben – zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten. Und ob es überhaupt zu einem weiteren internationalen Einsatz im Libanon kommen wird, steht in den Sternen. Wahrscheinlicher ist, dass Israel rasch Tatsachen schafft und die Hisbollah entscheidend schwächen wird.

Hinweis: Diese Reise wurde zum Teil vom Verteidigungsministerium finanziert.
 

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