Libanon: Weihnachtsbesuch bei Austro-Blauhelmen
„Die Lage ist stabil instabil“, sagt Oberstleutnant Gernot Gierlinger, Kommandant des österreichischen UNIFIL-Kontingents, während er an der Klippe steht und nach Süden zeigt, wo sich auf der Hügellandschaft die Konturen eines Zaunes abzeichnen. Dort befindet sich die „Blue Line“, eine Waffenstillstandslinie, die Israel und den Libanon trennt. Unten brandet das Mittelmeer gegen die Felsen. Sowohl zu Land als auch zu Wasser stehen sich beide Seiten unerbittlich gegenüber – dazwischen steht die UN-Mission UNIFIL, an der Österreich mit 182 Soldatinnen und Soldaten teilnimmt.
Tunnelsystem entdeckt
„Es ist derzeit keine Gefahr für die Mission selbst zu erwarten“, sagt Gierlinger zu Verteidigungsminister Mario Kunasek, der die Truppe im Camp Naqoura im Südlibanon nach alter Tradition vor Weihnachten besucht. Trotzdem ist die Lage angespannt, nachdem die israelische Armee (IDF) in der Vorwoche Tunnel an der Waffenstillstandslinie zum Libanon entdeckte. Diese seien von der schiitischen Hisbollah gegraben worden, die als Erzfeind Israels gilt. Derzeit verhandeln IDF und die libanesische Armee unter UNIFIL-Vermittlung über eine Sprengung der Tunnel.
Entgegen der aktuellen Spannungen soll das Verhältnis zwischen den beiden Parteien sogar besser geworden sein: „Vor drei Monaten begannen die Vertreter beider Streitkräfte, miteinander zu reden. Zuvor war das nur durch einen UNIFIL-Vermittler möglich“, sagt ein österreichischer Offizier gegenüber dem KURIER.
Trotzdem kommt es häufig zu Provokationen beider Seiten – 20 bis 25 Grenzverletzungen beobachten die Blauhelme pro Tag. Meistens sind es Überflüge von Drohnen oder Kampfjets, Kämpfe hat es jedoch seit Langem keine mehr gegeben. Tatsächlich erlebt der Libanon die längste Friedensphase seit Jahrzehnten – der letzte bewaffnete Konflikt liegt mehr als zwölf Jahre zurück.
Und das heftet sich die UNO gerne an ihre Fahnen: Insgesamt 10.527 Soldaten aus aller Welt überwachen den Waffenstillstand zwischen beiden Ländern, führen mitunter 400 Patrouillen pro Tag durch.
Harte Bedingungen
Die Österreicher sind primär für den Transport von Personen und Nachschub verantwortlich, reparieren aber auch alle Panzer, Fahrzeuge und Aggregate. Mehr als 200.000 km sind sie im vergangenen halben Jahr gefahren, haben Tonnen von Gerät transportiert. Auch die Camp-Feuerwehr wird von den Österreichern gestellt, die heuer 25 Brände gelöscht haben, darunter ein Feuer im Haus des Missionskommandanten.
Ein Soldat erzählt: „Es gibt Zeiten, wo die Kameraden fahren, schlafen, essen, fahren, essen, schlafen und das über viele Tage hinweg, bei teilweise extremen Temperaturen. Es ist jetzt angenehm kühl, im Sommer kann es aber bis zu 42 Grad haben.“
Nach Dienstschluss gehen die Soldaten gerne ins „Edelweiß“, eine Hütte mit Bar, Veranda und Aussicht aufs Meer. Als Kunasek die Soldaten dort für ihren Einsatz lobt und ihnen vor dem Christbaum steirische Spezialitäten überreicht, scheinen die Spannungen im Gebiet weit weg zu sein. Doch wie rasch die Stimmung umschlagen kann, zeigt ein Vorfall vom vergangenen August: „Eine UNIFIL-Patrouille hat sich verfahren, ist in ein Dorf gekommen, wo sie unerwünscht war. Die Bewohner haben einen Wagen mit einem Molotow-Cocktail attackiert, worauf die Soldaten Warnschüsse abgegeben haben“, sagt Gierlinger. „Zum Glück haben sich beide Parteien im Endeffekt besonnen verhalten, und es ist nicht mehr passiert. Aber es braucht nicht viel, und die Lage eskaliert.“
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