„Ich habe jetzt einen Hund adoptiert.“ Die Nachricht, die Valentina am Mittwoch auf Instagram unter dem Foto eines kleinen Mischlings teilte, ist freudlos verfasst. Er gehöre eigentlich einer Nachbarin, schreibt sie, doch weil deren Testergebnis positiv war, wurde sie in ein Isolationszentrum gebracht. Dorthin darf der Hund nicht, deshalb hat ihn Valentina aufgenommen, „bevor er verhungert“.
Seit zwei Jahren studiert die Italienerin in Shanghai, der größten Stadt Chinas. Seit über zwei Wochen darf sie, wie der Großteil der 26 Millionen Einwohner, ihre Wohnung nicht mehr verlassen. Valentina lebt in Puxi, der westlichen Stadthälfte, für die der Lockdown eigentlich erst seit 30. März gilt. Doch schon zuvor musste sie sich eine Woche lang isolieren, weil aufgrund erkrankter Nachbarn ihr ganzer Wohnblock unter Quarantäne gesetzt worden war.
„Sie haben vor jedem Eingang Absperrband angebracht und Wächter in Schutzanzügen hingestellt, die niemanden hinein- oder herauslassen“, erklärt Valentina. „Ich durfte nicht einmal einkaufen gehen, also habe ich versucht, online Lebensmittel zu bestellen. Leider ist schon damals Panik ausgebrochen und die Anbieter waren völlig überfordert.“
Berichte von Menschen, die tagelang nicht an neue Lebensmittel kommen, gibt es massenhaft im Internet. Auf mehreren Videos sind sogar Menschengruppen zu sehen, die gesammelt ihre Häuser verlassen und auf der Straße protestieren. Ein beliebter Spruch: „Verhaftet uns doch, wir hungern ohnehin schon“. In China werden die Aufnahmen meist nach wenigen Minuten zensiert.
In diesem Video streiten Menschen um die wenigen Lebensmittel, die von den Behörden ausgegeben werden:
Ein Ende ist nicht in Sicht: Nirgendwo in der Volksrepublik gab es seit Ausbruch der Pandemie so viele Covid-Fälle wie jetzt gerade in Shanghai, auch nicht in Wuhan, wo das Virus einst seinen Anfang nahm. 17.007 Fälle waren es am Mittwoch. Obwohl das im internationalen Vergleich nicht viel ist, hält das Gesundheitsministerium an der Null-Covid-Strategie fest und will am Montag über eine erneute Verlängerung des Lockdowns entscheiden.
Kinder werden von ihren Eltern getrennt
„Als Ausländerin ist das vorherrschende Gefühl Besorgnis“, sagt Michelle, eine Niederländerin, die ebenfalls in Shanghai studiert. „Wir sprechen die Sprache nicht und die geltenden Regelungen ändern sich ständig.“
Verstärkt werde diese Sorge durch Berichte über die Zustände in völlig überfüllten Spitälern und Isolationszentren, wo erkrankte Babys und Kleinkinder von ihren Eltern getrennt isoliert werden, wenn deren Test negativ ist. Inzwischen haben die Behörden zwar bestätigt, dass negative Eltern mit positiven Kindern "Anträge ausfüllen" können, um die Kleinen in die Quarantäne begleiten zu dürfen.
Doch auch abgesehen sieht und hört man aus den Isolationszentren wenig Gutes: Menschen müssen auf dem Boden schlafen, weil es zu wenig Betten gibt, und haben werden stundenlang nicht vom völlig überforderten Personal betreut, obwohl sie Hilfe brauchen. In den Spitälern werden selbst jene nicht behandelt, die an akuten Notfällen leiden.
In privaten Gruppenchats teilen Ausländer untereinander Videos, die diesen Eindruck bestätigen. Michelle sagt deshalb: „Meine größte Angst ist es nicht, an Covid zu erkranken, sondern an einen dieser Orte zu müssen.“
Alle Namen wurden auf Wunsch der Personen geändert.
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