Las Vegas hält bei der US-Wahl die Karten in der Hand
Als einer von sechs Swing States ist Nevada von zentraler Bedeutung für die US-Politik. Auch die Zusammensetzung seiner Bevölkerung gilt als Beispiel dafür, wie die USA künftig aussehen dürften.
An Las Vegas, diesem gigantischen Spielplatz für Erwachsene, mit seinen Casinos, den Luxusressorts, dem Kick für das schnelle Geld und den Verlockungen des totalen Amüsements, kann keiner vorbei. Joe Biden nicht und Donald Trump, der sich in der amerikanischen Hauptstadt des Kitsches auch mit einem golden glänzenden Turm verwirklichte, schon gar nicht.
Sowohl der US-Präsident als auch sein Herausforderer haben in Nevada viel zu gewinnen – oder zu verlieren. Denn der Bundesstaat im Südwesten der USA gehört zu den sogenannten Swing States – also zu jenen sechs Staaten, in denen sich der Ausgang der US-Präsidentenwahlen im November entscheiden wird.
„Und wen Nevada zum Sieger gekürt hat, der wurde letztlich immer Präsident – jedes Mal seit 1908“, schildert Politikprofessor David Damore vom Thinktank The Lincy Institute.
Enttäuschte Hispanics
Noch liegt Trump in den Umfragen um einige Prozentpunkte vor dem Präsidenten. Doch darauf gibt Damore nichts. „Trauen Sie den Umfragen nicht, sie werden hier nicht richtig ausgeführt. Wer hier keine Befragung auf Spanisch macht, hat nie ein umfassendes Bild.“ Spanischstämmige US-Amerikaner, sogenannte Hispanics, stellen knapp ein Drittel der rund drei Millionen Menschen im Wüstenstaat. Bisher hatten sie weitgehend die Demokraten gewählt, doch ihre Enttäuschung ist groß.
„Die Biden-Administration hat uns so viel versprochen, eine Einwanderungsreform, aber nichts davon ist geschehen“, sagt Mary Wagner. In Honduras geboren, hat sie eben erst ihre US-Staatsbürgerschaft erhalten und wird im Herbst zum ersten Mal in den USA abstimmen. Ein wenig traurig wirkt die zarte 34-Jährige, als sie erzählt: „Ich bin noch unentschlossen, wen ich wählen werde.“ Die Immigranten, sagt sie, würden in der politischen Debatte nur benützt. „Aber wir sind eine Stütze dieses Landes, wir arbeiten, wir zahlen Steuern.“
Die Stimmung ist trotzdem heiter an diesem Abend, zu dem Mary und die anderen Aktivisten der Bürgerinitiative „Make the Road Nevada“ hier im ärmlichen Norden von Las Vegas gerufen haben. Keine Spur mehr von Luxushotels und Glitzerfassaden, im bunt geschmückten Saal düsen aufgeregt Kinder herum. Es wird Pizza ausgegeben, englisch und spanisch durcheinander gequatscht.
Kommunikationschefin Andrea Masnata beschwört die Gäste: Zusammenarbeiten, auch wenn Biden die hispanische Gemeinschaft enttäuscht habe. Ob die 81 Jahre des Präsidenten nicht hinderlich seien? „Es gibt größere Probleme als sein Alter“, so die gebürtige Bolivianerin.
Nämlich die teuren Lebensmittel, die gestiegenen Benzinpreise, die Wohnkosten und natürlich die Immigrationsfrage. „Einen klaren Weg zur Staatsbürgerschaft, das hätten wir uns erwartet“; sagt Andrea. Als Inhaberin einer Greencard darf sie selbst nicht wählen – was sie nicht hindert, sich umso energischer ins politische Engagement zu stürzen.
Immigration, daran ist Nevada seit je her gewöhnt. Wer hierher kommt, zieht oft einige Jahre wieder weiter. In Regionen, wo die Temperaturen im Sommer nicht über 40 Grad hinaufschießen. Den Klimawandel bekommt der Bundesstaat besonders stark zu spüren. Es wird immer heißer. Doch der stete Zustrom an Zuwanderern und vor allem illegalen Migranten macht auch vielen Bewohnern Nevadas zu schaffen.
Zu spüren bekommt dies vor allem die schwarze Bevölkerung. In den Tourismusbetrieben, in den Casinos, vor allem am Bau „werden die Schwarzen aus den Arbeitsstätten hinausgedrängt“, schildert Politaktivistin Yvette Williams. „Früher stellten die Schwarzen hier zehn Prozent der Arbeitskräfte. Jetzt ist es nur noch ein Prozent.“ Der Ruf nach einem Zuwanderungsstopp nimmt mitunter radikale Formen an. Katrin Ivanoff, die für ein lokales Amt in Las Vegas kandidiert, fordert gar die Todesstrafe für illegale Immigranten, die Gesetze verletzen.
Die Kriege in der Ukraine und dem Nahen Osten sind weit weg
Übereinstimmung hingegen quer durch alle Bevölkerungsgruppen: Der Krieg in der Ukraine oder in Gaza spielt weit weg davon, im Westen der USA, so gut wie keine Rolle. Die Hispanics in Nevada lassen die Kriegsgeschehen kalt. Armut und Not, ganze Familien, die in die Obdachlosigkeit rutschten, davon gebe es abseits der Luxusressorts von Las Vegas genug, ist bei der abendlichen Bürgerversammlung im Vorort der Stadt immer wieder zu hören: „Und dann schicken wir aus den USA so viel Geld, damit in anderen Ländern Krieg geführt wird.“
Dass die hispanischen Wähler im Herbst den Demokraten die Stimme verweigern werden, ist jedoch kaum zu erwarten. „Auch wenn wir uns jetzt nicht für Biden aussprechen, wissen wir doch, dass wir auf der anderen Seite einen großen Feind haben“, sagt Mary. Und mit zurückhaltendem Lächeln fügt sie hinzu: „Es wird wohl so sein, dass ich im November doch Biden wählen werde.“
"Nevada ist ein Mikrokosmos dafür, wie die gesamten USA in Zukunft ausschauen dürften"
Sieg oder nicht Sieg für den Demokraten, auf derartige Prognosen will sich Politikexperte David Damore nicht einlassen. Doch der Bundesstaat „mit seiner viel besseren Infrastruktur der Demokraten“ neige eher dem amtierenden Präsidenten zu, präzisiert er. Hier gebe es für die USA ungewöhnlich starke Gewerkschaften – zudem sei Nevada ein „Mikrokosmos dafür, wie die gesamten USA in Zukunft ausschauen dürften“. Ein Staat, wo die Minderheiten die eigentliche Mehrheit bilden.
Wie im gesamten Land gilt auch in Nevada: Konservative Wähler in den ländlichen Regionen stehen einer überwiegend liberalen Wählerschicht in den Städten gegenüber. Einer wie in Las Vegas, wo von der Blitzhochzeit über das Zocken bis zum Rauchen mitten im Casino alles geht, was in den USA sonst verboten ist.
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